zu viel wider sich. -- Dieß rührte den Grafen mehr, als sein eigenes Schicksal, doch faßte er sich gleich, schrieb noch etwas an einen Aufsatz, den er seinem Defensor mitgeben wollte, und stellte ihm denselben zu.
Als wir wieder allein waren bezeugte ich ihm mein herzliches Mitleid, und ermahnte ihn sein trauriges Schick- sal mit christlicher Geduld und Unterwerfung zu ertragen. Jch versichere Sie, sagte er, ich bin darüber ruhig. Der- gleichen Strafen sollen ja Eindruck bey andern machen, deswegen müssen sie hart seyn. Jch habe mich auf dieses und mehreres gefaßt gemacht. Jch habe mir vorgestellt, daß ich vielleicht gerädert werden könnte, und schon über- legt, ob ich auch die Schmerzen einer solchen Hinrichtung mit Geduld würde überwinden können. Habe ich diesen Tod verdient, setzte er hinzu, so würde meine Schande nicht ausgelöscht werden, wenn auch die beschimpfenden Umstände desselben nicht damit verbunden wären. Und hätte ich ihn nicht verdient, welches ich nicht behaupten kann noch will, so würden mir verständige Leute Gerechtig- keit wiederfahren lassen, und dann gewönne ich wieder an meiner Ehre. Und was ist mir nun überhaupt irdische Ehre und Schande wehrt? Meine Richter haben das Gesetz vor sich, und konnten nicht anders urtheilen. Jch gestehe, mein Verbrechen ist groß, und ich kann nicht läugnen, daß ich die Majestät des Königs beleidigt habe. Vieles würde ich nicht gethan haben, wenn ich das Gesetz genug gekannt hätte. Aber warum machte ichs mir nicht bekannt? Sie können freylich, antwortete ich, niemand als sich selbst an- klagen. Das eine Verbrechen, worüber auch nicht der mindeste Zweifel statt findet, ist nicht allein Beleidigung der Majestät des Königes sondern auch der Nation, und wür- de es in jedem Lande seyn. Die ungesetzmäßige ja widerge- setzliche Gewalt, die Sie sich angemaßt haben, ist es nach der dänischen Constitution gleichfalls. Jch glaube zwar wohl, daß Sie nicht gedacht haben, sich dadurch des Ver-
brechens
zu viel wider ſich. — Dieß ruͤhrte den Grafen mehr, als ſein eigenes Schickſal, doch faßte er ſich gleich, ſchrieb noch etwas an einen Aufſatz, den er ſeinem Defenſor mitgeben wollte, und ſtellte ihm denſelben zu.
Als wir wieder allein waren bezeugte ich ihm mein herzliches Mitleid, und ermahnte ihn ſein trauriges Schick- ſal mit chriſtlicher Geduld und Unterwerfung zu ertragen. Jch verſichere Sie, ſagte er, ich bin daruͤber ruhig. Der- gleichen Strafen ſollen ja Eindruck bey andern machen, deswegen muͤſſen ſie hart ſeyn. Jch habe mich auf dieſes und mehreres gefaßt gemacht. Jch habe mir vorgeſtellt, daß ich vielleicht geraͤdert werden koͤnnte, und ſchon uͤber- legt, ob ich auch die Schmerzen einer ſolchen Hinrichtung mit Geduld wuͤrde uͤberwinden koͤnnen. Habe ich dieſen Tod verdient, ſetzte er hinzu, ſo wuͤrde meine Schande nicht ausgeloͤſcht werden, wenn auch die beſchimpfenden Umſtaͤnde deſſelben nicht damit verbunden waͤren. Und haͤtte ich ihn nicht verdient, welches ich nicht behaupten kann noch will, ſo wuͤrden mir verſtaͤndige Leute Gerechtig- keit wiederfahren laſſen, und dann gewoͤnne ich wieder an meiner Ehre. Und was iſt mir nun uͤberhaupt irdiſche Ehre und Schande wehrt? Meine Richter haben das Geſetz vor ſich, und konnten nicht anders urtheilen. Jch geſtehe, mein Verbrechen iſt groß, und ich kann nicht laͤugnen, daß ich die Majeſtaͤt des Koͤnigs beleidigt habe. Vieles wuͤrde ich nicht gethan haben, wenn ich das Geſetz genug gekannt haͤtte. Aber warum machte ichs mir nicht bekannt? Sie koͤnnen freylich, antwortete ich, niemand als ſich ſelbſt an- klagen. Das eine Verbrechen, woruͤber auch nicht der mindeſte Zweifel ſtatt findet, iſt nicht allein Beleidigung der Majeſtaͤt des Koͤniges ſondern auch der Nation, und wuͤr- de es in jedem Lande ſeyn. Die ungeſetzmaͤßige ja widerge- ſetzliche Gewalt, die Sie ſich angemaßt haben, iſt es nach der daͤniſchen Conſtitution gleichfalls. Jch glaube zwar wohl, daß Sie nicht gedacht haben, ſich dadurch des Ver-
brechens
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0265"n="253"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
zu viel wider ſich. — Dieß ruͤhrte den Grafen mehr, als<lb/>ſein eigenes Schickſal, doch faßte er ſich gleich, ſchrieb noch<lb/>
etwas an einen Aufſatz, den er ſeinem Defenſor mitgeben<lb/>
wollte, und ſtellte ihm denſelben zu.</p><lb/><p>Als wir wieder allein waren bezeugte ich ihm mein<lb/>
herzliches Mitleid, und ermahnte ihn ſein trauriges Schick-<lb/>ſal mit chriſtlicher Geduld und Unterwerfung zu ertragen.<lb/>
Jch verſichere Sie, ſagte er, ich bin daruͤber ruhig. Der-<lb/>
gleichen Strafen ſollen ja Eindruck bey andern machen,<lb/>
deswegen muͤſſen ſie hart ſeyn. Jch habe mich auf dieſes<lb/>
und mehreres gefaßt gemacht. Jch habe mir vorgeſtellt,<lb/>
daß ich vielleicht geraͤdert werden koͤnnte, und ſchon uͤber-<lb/>
legt, ob ich auch die Schmerzen einer ſolchen Hinrichtung<lb/>
mit Geduld wuͤrde uͤberwinden koͤnnen. Habe ich dieſen<lb/>
Tod verdient, ſetzte er hinzu, ſo wuͤrde meine Schande<lb/>
nicht ausgeloͤſcht werden, wenn auch die beſchimpfenden<lb/>
Umſtaͤnde deſſelben nicht damit verbunden waͤren. Und<lb/>
haͤtte ich ihn nicht verdient, welches ich nicht behaupten<lb/>
kann noch will, ſo wuͤrden mir verſtaͤndige Leute Gerechtig-<lb/>
keit wiederfahren laſſen, und dann gewoͤnne ich wieder an<lb/>
meiner Ehre. Und was iſt mir nun uͤberhaupt irdiſche Ehre<lb/>
und Schande wehrt? Meine Richter haben das Geſetz vor<lb/>ſich, und konnten nicht anders urtheilen. Jch geſtehe, mein<lb/>
Verbrechen iſt groß, und ich kann nicht laͤugnen, daß ich<lb/>
die Majeſtaͤt des Koͤnigs beleidigt habe. Vieles wuͤrde ich<lb/>
nicht gethan haben, wenn ich das Geſetz genug gekannt<lb/>
haͤtte. Aber warum machte ichs mir nicht bekannt? Sie<lb/>
koͤnnen freylich, antwortete ich, niemand als ſich ſelbſt an-<lb/>
klagen. Das eine Verbrechen, woruͤber auch nicht der<lb/>
mindeſte Zweifel ſtatt findet, iſt nicht allein Beleidigung der<lb/>
Majeſtaͤt des Koͤniges ſondern auch der Nation, und wuͤr-<lb/>
de es in jedem Lande ſeyn. Die ungeſetzmaͤßige ja widerge-<lb/>ſetzliche Gewalt, die Sie ſich angemaßt haben, iſt es nach<lb/>
der daͤniſchen Conſtitution gleichfalls. Jch glaube zwar<lb/>
wohl, daß Sie nicht gedacht haben, ſich dadurch des Ver-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">brechens</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[253/0265]
zu viel wider ſich. — Dieß ruͤhrte den Grafen mehr, als
ſein eigenes Schickſal, doch faßte er ſich gleich, ſchrieb noch
etwas an einen Aufſatz, den er ſeinem Defenſor mitgeben
wollte, und ſtellte ihm denſelben zu.
Als wir wieder allein waren bezeugte ich ihm mein
herzliches Mitleid, und ermahnte ihn ſein trauriges Schick-
ſal mit chriſtlicher Geduld und Unterwerfung zu ertragen.
Jch verſichere Sie, ſagte er, ich bin daruͤber ruhig. Der-
gleichen Strafen ſollen ja Eindruck bey andern machen,
deswegen muͤſſen ſie hart ſeyn. Jch habe mich auf dieſes
und mehreres gefaßt gemacht. Jch habe mir vorgeſtellt,
daß ich vielleicht geraͤdert werden koͤnnte, und ſchon uͤber-
legt, ob ich auch die Schmerzen einer ſolchen Hinrichtung
mit Geduld wuͤrde uͤberwinden koͤnnen. Habe ich dieſen
Tod verdient, ſetzte er hinzu, ſo wuͤrde meine Schande
nicht ausgeloͤſcht werden, wenn auch die beſchimpfenden
Umſtaͤnde deſſelben nicht damit verbunden waͤren. Und
haͤtte ich ihn nicht verdient, welches ich nicht behaupten
kann noch will, ſo wuͤrden mir verſtaͤndige Leute Gerechtig-
keit wiederfahren laſſen, und dann gewoͤnne ich wieder an
meiner Ehre. Und was iſt mir nun uͤberhaupt irdiſche Ehre
und Schande wehrt? Meine Richter haben das Geſetz vor
ſich, und konnten nicht anders urtheilen. Jch geſtehe, mein
Verbrechen iſt groß, und ich kann nicht laͤugnen, daß ich
die Majeſtaͤt des Koͤnigs beleidigt habe. Vieles wuͤrde ich
nicht gethan haben, wenn ich das Geſetz genug gekannt
haͤtte. Aber warum machte ichs mir nicht bekannt? Sie
koͤnnen freylich, antwortete ich, niemand als ſich ſelbſt an-
klagen. Das eine Verbrechen, woruͤber auch nicht der
mindeſte Zweifel ſtatt findet, iſt nicht allein Beleidigung der
Majeſtaͤt des Koͤniges ſondern auch der Nation, und wuͤr-
de es in jedem Lande ſeyn. Die ungeſetzmaͤßige ja widerge-
ſetzliche Gewalt, die Sie ſich angemaßt haben, iſt es nach
der daͤniſchen Conſtitution gleichfalls. Jch glaube zwar
wohl, daß Sie nicht gedacht haben, ſich dadurch des Ver-
brechens
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/265>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.