Zwar werden Sie nicht hoffen, daß Sie in der Auferstehung der Todten einer der ersten unter den Be- gnadigten Gottes seyn werden: aber dieß dürfen Sie hof- fen, daß Sie den ersten endlich nachkommen werden. Jch müßte sehr zufrieden seyn, antwortete er, wenn mich Gott nur nicht unglücklicher wollte werden lassen, als ich itzt bin. Gott wird um meinetwillen die Ordnung nicht un- terbrechen, die er für die künftige Welt bestimmt hat. Fahren Sie also fort, setzte ich hinzu, so lange Sie Zeit dazu haben werden, sich um Wachsthum im Guten zu bemühen. Jede, auch kleine Nachlässigkeit in diesem Geschäfte, welches itzt Jhr einziges ist, würde Sünde seyn, und Sie zurücksetzen. Jeder Schritt aber, den Sie noch vorwärts thun, bringt Sie auch in Ansehung Jhres künftigen Heils weiter. Eher könnte Gott aufhören Gott zu seyn, als er auch nur einen einzigen guten Gedanken, eine einzige edle Entschließung, unbelohnt lassen könnte. Eilen Sie, so sehr Sie können, denn Jhr Ziel ist nun sehr nahe! Mit einer so sanften und ruhigen Miene, als ich sie noch nie auf seinem Angesicht gesehen hatte, ant- wortete er mir: Gottlob, ich bin bereit, und wenns auch Morgen seyn sollte! --
Die Freygeister, fuhr er fort, werden nun sagen: Jch hätte, ohne zur Religion meine Zuflucht nehmen zu dürfen, in mir selbst Stärke genug gegen mein Elend su- chen und finden müssen. Nun hätte ich mich als ein Pol- tron bewiesen, und wäre aus diesem Grunde meines Glücks nicht würdig gewesen. Wollte Gott, daß ich desselben aus andern Gründen nicht unwürdig gewesen wäre! Jch möchte sie aber doch wohl fragen, wie ich das hätte anfan- gen sollen, Trost in mir selbst zu finden. An meine Ver- gebungen, an meinen itzigen Zustand, an meine Zukunft durfte ich nicht denken, wenn ich mich beruhigen wollte. Es blieb mir nichts übrig, als mich zu betäuben und meine Gedanken zu zerstreuen. Aber wie hätte ich das in einer
solchen
Zwar werden Sie nicht hoffen, daß Sie in der Auferſtehung der Todten einer der erſten unter den Be- gnadigten Gottes ſeyn werden: aber dieß duͤrfen Sie hof- fen, daß Sie den erſten endlich nachkommen werden. Jch muͤßte ſehr zufrieden ſeyn, antwortete er, wenn mich Gott nur nicht ungluͤcklicher wollte werden laſſen, als ich itzt bin. Gott wird um meinetwillen die Ordnung nicht un- terbrechen, die er fuͤr die kuͤnftige Welt beſtimmt hat. Fahren Sie alſo fort, ſetzte ich hinzu, ſo lange Sie Zeit dazu haben werden, ſich um Wachsthum im Guten zu bemuͤhen. Jede, auch kleine Nachlaͤſſigkeit in dieſem Geſchaͤfte, welches itzt Jhr einziges iſt, wuͤrde Suͤnde ſeyn, und Sie zuruͤckſetzen. Jeder Schritt aber, den Sie noch vorwaͤrts thun, bringt Sie auch in Anſehung Jhres kuͤnftigen Heils weiter. Eher koͤnnte Gott aufhoͤren Gott zu ſeyn, als er auch nur einen einzigen guten Gedanken, eine einzige edle Entſchließung, unbelohnt laſſen koͤnnte. Eilen Sie, ſo ſehr Sie koͤnnen, denn Jhr Ziel iſt nun ſehr nahe! Mit einer ſo ſanften und ruhigen Miene, als ich ſie noch nie auf ſeinem Angeſicht geſehen hatte, ant- wortete er mir: Gottlob, ich bin bereit, und wenns auch Morgen ſeyn ſollte! —
Die Freygeiſter, fuhr er fort, werden nun ſagen: Jch haͤtte, ohne zur Religion meine Zuflucht nehmen zu duͤrfen, in mir ſelbſt Staͤrke genug gegen mein Elend ſu- chen und finden muͤſſen. Nun haͤtte ich mich als ein Pol- tron bewieſen, und waͤre aus dieſem Grunde meines Gluͤcks nicht wuͤrdig geweſen. Wollte Gott, daß ich deſſelben aus andern Gruͤnden nicht unwuͤrdig geweſen waͤre! Jch moͤchte ſie aber doch wohl fragen, wie ich das haͤtte anfan- gen ſollen, Troſt in mir ſelbſt zu finden. An meine Ver- gebungen, an meinen itzigen Zuſtand, an meine Zukunft durfte ich nicht denken, wenn ich mich beruhigen wollte. Es blieb mir nichts uͤbrig, als mich zu betaͤuben und meine Gedanken zu zerſtreuen. Aber wie haͤtte ich das in einer
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Zwar werden Sie nicht hoffen, daß Sie in der
Auferſtehung der Todten einer der erſten unter den Be-
gnadigten Gottes ſeyn werden: aber dieß duͤrfen Sie hof-
fen, daß Sie den erſten endlich nachkommen werden. Jch
muͤßte ſehr zufrieden ſeyn, antwortete er, wenn mich Gott
nur nicht ungluͤcklicher wollte werden laſſen, als ich itzt
bin. Gott wird um meinetwillen die Ordnung nicht un-
terbrechen, die er fuͤr die kuͤnftige Welt beſtimmt hat.
Fahren Sie alſo fort, ſetzte ich hinzu, ſo lange Sie Zeit
dazu haben werden, ſich um Wachsthum im Guten zu
bemuͤhen. Jede, auch kleine Nachlaͤſſigkeit in dieſem
Geſchaͤfte, welches itzt Jhr einziges iſt, wuͤrde Suͤnde
ſeyn, und Sie zuruͤckſetzen. Jeder Schritt aber, den Sie
noch vorwaͤrts thun, bringt Sie auch in Anſehung Jhres
kuͤnftigen Heils weiter. Eher koͤnnte Gott aufhoͤren Gott
zu ſeyn, als er auch nur einen einzigen guten Gedanken,
eine einzige edle Entſchließung, unbelohnt laſſen koͤnnte.
Eilen Sie, ſo ſehr Sie koͤnnen, denn Jhr Ziel iſt nun
ſehr nahe! Mit einer ſo ſanften und ruhigen Miene, als
ich ſie noch nie auf ſeinem Angeſicht geſehen hatte, ant-
wortete er mir: Gottlob, ich bin bereit, und wenns auch
Morgen ſeyn ſollte! —
Die Freygeiſter, fuhr er fort, werden nun ſagen:
Jch haͤtte, ohne zur Religion meine Zuflucht nehmen zu
duͤrfen, in mir ſelbſt Staͤrke genug gegen mein Elend ſu-
chen und finden muͤſſen. Nun haͤtte ich mich als ein Pol-
tron bewieſen, und waͤre aus dieſem Grunde meines Gluͤcks
nicht wuͤrdig geweſen. Wollte Gott, daß ich deſſelben
aus andern Gruͤnden nicht unwuͤrdig geweſen waͤre! Jch
moͤchte ſie aber doch wohl fragen, wie ich das haͤtte anfan-
gen ſollen, Troſt in mir ſelbſt zu finden. An meine Ver-
gebungen, an meinen itzigen Zuſtand, an meine Zukunft
durfte ich nicht denken, wenn ich mich beruhigen wollte.
Es blieb mir nichts uͤbrig, als mich zu betaͤuben und meine
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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/246>, abgerufen am 16.02.2025.
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