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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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nützlich, diese seine Unruhe zu vermehren. Jch setze zum
Voraus, daß meine Leser wissen, wie viel er sich über
sein Verhalten gegen den Grafen Bernstorf vorzuwerfen
hatte. Jch erzählte ihm also, als ich weggehen wollte,
den Tod desselben. Jst er gestorben? rief er mit Lebhaf-
tigkeit, und fuhr zusammen. Ja, sagte ich, er ist ge-
storben, er hat durch Weisheit, Religion und Frömmig-
keit den Character des großen Mannes bis ans Ende
behauptet, und man glaubt allgemein, daß der Gram
seiner letzten Jahre, Herr Graf, seinen Tod befördert
hat. Jch sah ihn hiebey mit einer Miene an, die er gut
zu verstehen schien, denn er erröthete.

Zwote Unterredung, den 3ten März.

Meine erste Bemühung bey dem Grafen Struensee
mußte nun diese seyn, ihn von der Falschheit seiner
Hypothese, der Mensch sey nichts als eine Maschine,
zu überzeugen. Daraus schloß er, daß kein künftiges
Leben sey, ob es gleich nicht daraus folgt; und so lange
er die Ewigkeit für nichts hielt, konnte Religion und
Moralität ihm nicht wichtig werden.

Jch erinnerte ihn an sein Versprechen, der Wahr-
heit nicht vorsetzlich zu widerstehen, sondern ihr entgegen
zu kommen. Sie stehen nun, sagte ich, seit unsrer ersten
Unterredung der Ewigkeit um zwey Tage näher. Ein
Tag ist Jhnen jetzt so viel als sonst ein Jahr. Sie
müssen also eilen ihre Seele zu retten. Jch weiß wohl
Sie glauben itzt weder, daß eine Ewigkeit ist, noch daß
Sie eine Seele haben. Sie kennen Jhre Vortheile noch
nicht. Sie halten Jhre Meynung, der Mensch sey eine
bloße Maschine, noch für Wahrheit, und folgern daraus
mehr, als darin liegt. Doch werden Sie sie wohl für
nichts weiter als für eine philosophische Hypothese ausge-

ben



nuͤtzlich, dieſe ſeine Unruhe zu vermehren. Jch ſetze zum
Voraus, daß meine Leſer wiſſen, wie viel er ſich uͤber
ſein Verhalten gegen den Grafen Bernſtorf vorzuwerfen
hatte. Jch erzaͤhlte ihm alſo, als ich weggehen wollte,
den Tod deſſelben. Jſt er geſtorben? rief er mit Lebhaf-
tigkeit, und fuhr zuſammen. Ja, ſagte ich, er iſt ge-
ſtorben, er hat durch Weisheit, Religion und Froͤmmig-
keit den Character des großen Mannes bis ans Ende
behauptet, und man glaubt allgemein, daß der Gram
ſeiner letzten Jahre, Herr Graf, ſeinen Tod befoͤrdert
hat. Jch ſah ihn hiebey mit einer Miene an, die er gut
zu verſtehen ſchien, denn er erroͤthete.

Zwote Unterredung, den 3ten Maͤrz.

Meine erſte Bemuͤhung bey dem Grafen Struenſee
mußte nun dieſe ſeyn, ihn von der Falſchheit ſeiner
Hypotheſe, der Menſch ſey nichts als eine Maſchine,
zu uͤberzeugen. Daraus ſchloß er, daß kein kuͤnftiges
Leben ſey, ob es gleich nicht daraus folgt; und ſo lange
er die Ewigkeit fuͤr nichts hielt, konnte Religion und
Moralitaͤt ihm nicht wichtig werden.

Jch erinnerte ihn an ſein Verſprechen, der Wahr-
heit nicht vorſetzlich zu widerſtehen, ſondern ihr entgegen
zu kommen. Sie ſtehen nun, ſagte ich, ſeit unſrer erſten
Unterredung der Ewigkeit um zwey Tage naͤher. Ein
Tag iſt Jhnen jetzt ſo viel als ſonſt ein Jahr. Sie
muͤſſen alſo eilen ihre Seele zu retten. Jch weiß wohl
Sie glauben itzt weder, daß eine Ewigkeit iſt, noch daß
Sie eine Seele haben. Sie kennen Jhre Vortheile noch
nicht. Sie halten Jhre Meynung, der Menſch ſey eine
bloße Maſchine, noch fuͤr Wahrheit, und folgern daraus
mehr, als darin liegt. Doch werden Sie ſie wohl fuͤr
nichts weiter als fuͤr eine philoſophiſche Hypotheſe ausge-

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[12/0024] nuͤtzlich, dieſe ſeine Unruhe zu vermehren. Jch ſetze zum Voraus, daß meine Leſer wiſſen, wie viel er ſich uͤber ſein Verhalten gegen den Grafen Bernſtorf vorzuwerfen hatte. Jch erzaͤhlte ihm alſo, als ich weggehen wollte, den Tod deſſelben. Jſt er geſtorben? rief er mit Lebhaf- tigkeit, und fuhr zuſammen. Ja, ſagte ich, er iſt ge- ſtorben, er hat durch Weisheit, Religion und Froͤmmig- keit den Character des großen Mannes bis ans Ende behauptet, und man glaubt allgemein, daß der Gram ſeiner letzten Jahre, Herr Graf, ſeinen Tod befoͤrdert hat. Jch ſah ihn hiebey mit einer Miene an, die er gut zu verſtehen ſchien, denn er erroͤthete. Zwote Unterredung, den 3ten Maͤrz. Meine erſte Bemuͤhung bey dem Grafen Struenſee mußte nun dieſe ſeyn, ihn von der Falſchheit ſeiner Hypotheſe, der Menſch ſey nichts als eine Maſchine, zu uͤberzeugen. Daraus ſchloß er, daß kein kuͤnftiges Leben ſey, ob es gleich nicht daraus folgt; und ſo lange er die Ewigkeit fuͤr nichts hielt, konnte Religion und Moralitaͤt ihm nicht wichtig werden. Jch erinnerte ihn an ſein Verſprechen, der Wahr- heit nicht vorſetzlich zu widerſtehen, ſondern ihr entgegen zu kommen. Sie ſtehen nun, ſagte ich, ſeit unſrer erſten Unterredung der Ewigkeit um zwey Tage naͤher. Ein Tag iſt Jhnen jetzt ſo viel als ſonſt ein Jahr. Sie muͤſſen alſo eilen ihre Seele zu retten. Jch weiß wohl Sie glauben itzt weder, daß eine Ewigkeit iſt, noch daß Sie eine Seele haben. Sie kennen Jhre Vortheile noch nicht. Sie halten Jhre Meynung, der Menſch ſey eine bloße Maſchine, noch fuͤr Wahrheit, und folgern daraus mehr, als darin liegt. Doch werden Sie ſie wohl fuͤr nichts weiter als fuͤr eine philoſophiſche Hypotheſe ausge- ben

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/24>, abgerufen am 21.11.2024.