Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.Schrift etwas, etwas kann die Vernunft aus analogi- schen Gründen davon muthmaßen: aber alles, was wir davon gewiß wissen oder muthmaßen können, kann nur für einen sehr unvollkommenen und unausgebildeten Ab- riß des würklichen Heils der Ewigkeit gehalten werden. Nicht eher, als bis wir es lange werden erfahren haben, werden wir es recht kennen lernen. Wir sind hier fast an lauter irdische und vergängliche Güter gewöhnt, wie sollten wir uns himmlische und ewige Vortheile richtig und deutlich vorstellen können? Wir werden dort wieder unsern organischen Leib in
Schrift etwas, etwas kann die Vernunft aus analogi- ſchen Gruͤnden davon muthmaßen: aber alles, was wir davon gewiß wiſſen oder muthmaßen koͤnnen, kann nur fuͤr einen ſehr unvollkommenen und unausgebildeten Ab- riß des wuͤrklichen Heils der Ewigkeit gehalten werden. Nicht eher, als bis wir es lange werden erfahren haben, werden wir es recht kennen lernen. Wir ſind hier faſt an lauter irdiſche und vergaͤngliche Guͤter gewoͤhnt, wie ſollten wir uns himmliſche und ewige Vortheile richtig und deutlich vorſtellen koͤnnen? Wir werden dort wieder unſern organiſchen Leib in
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0236" n="224"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Schrift etwas, etwas kann die Vernunft aus analogi-<lb/> ſchen Gruͤnden davon muthmaßen: aber alles, was wir<lb/> davon gewiß wiſſen oder muthmaßen koͤnnen, kann nur<lb/> fuͤr einen ſehr unvollkommenen und unausgebildeten Ab-<lb/> riß des wuͤrklichen Heils der Ewigkeit gehalten werden.<lb/> Nicht eher, als bis wir es lange werden erfahren haben,<lb/> werden wir es recht kennen lernen. Wir ſind hier faſt<lb/> an lauter irdiſche und vergaͤngliche Guͤter gewoͤhnt, wie<lb/> ſollten wir uns himmliſche und ewige Vortheile richtig<lb/> und deutlich vorſtellen koͤnnen?</p><lb/> <p>Wir werden dort wieder unſern organiſchen Leib<lb/> haben, von welchem die Sinne ein weſentliches Stuͤck<lb/> zu ſeyn ſcheinen. Jch vermuhte daher, daß wir dort<lb/> auch angenehme ſinnliche Empfindungen werden erwarten<lb/> duͤrfen. Unſer Leib wird verklaͤrt ſeyn, das iſt, verfei-<lb/> nert, veredelt und den Abſichten und Geſchaͤfften des<lb/> kuͤnftigen Lebens gemaͤß eingerichtet. Alſo werden auch<lb/> jene ſinnliche Freuden in eben dem Verhaͤltniſſe edler,<lb/> feiner und himmliſcher ſeyn, als wir ſie hier haben koͤn-<lb/> nen. — Der angenehme Eindruck, den hier Schoͤnheit,<lb/> Harmonie, Erhabenheit, in den Werken der Natur und<lb/> Kunſt, auf uns macht, iſt immer von undeutlichen Vor-<lb/> ſtellungen begleitet, und gruͤndet ſich oft in der Jlluſion.<lb/> Dort werden wir ohne Zweifel mit unſern Sinnen tiefer<lb/> in die Gegenſtaͤnde eindringen, mehr auf einmahl faſſen,<lb/> keinem Betruge der Sinne unterworfen ſeyn, und daher<lb/> auch mehr und deutlicher erkannte Urſache zur Freude<lb/> uͤber die Empfindung ſinnlicher Annehmlichkeiten haben.<lb/> — Es koͤnnen auch wohl mehr Sinne fuͤr den verklaͤr-<lb/> ten Leib moͤglich ſeyn, als der irdiſche hat. Dadurch<lb/> koͤnnen unzaͤhlige Quellen neuer Freuden eroͤffnet werden,<lb/> von denen wir uns hier, wegen unſrer gaͤnzlichen Unbe-<lb/> kanntſchaft mit ihnen, gar keine Vorſtellungen machen<lb/> koͤnnen. — Die richtigere und ausgebreitetere Erkenntniß<lb/> der Werke Gottes, von denen wir hier nur ſehr wenige<lb/> <fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [224/0236]
Schrift etwas, etwas kann die Vernunft aus analogi-
ſchen Gruͤnden davon muthmaßen: aber alles, was wir
davon gewiß wiſſen oder muthmaßen koͤnnen, kann nur
fuͤr einen ſehr unvollkommenen und unausgebildeten Ab-
riß des wuͤrklichen Heils der Ewigkeit gehalten werden.
Nicht eher, als bis wir es lange werden erfahren haben,
werden wir es recht kennen lernen. Wir ſind hier faſt
an lauter irdiſche und vergaͤngliche Guͤter gewoͤhnt, wie
ſollten wir uns himmliſche und ewige Vortheile richtig
und deutlich vorſtellen koͤnnen?
Wir werden dort wieder unſern organiſchen Leib
haben, von welchem die Sinne ein weſentliches Stuͤck
zu ſeyn ſcheinen. Jch vermuhte daher, daß wir dort
auch angenehme ſinnliche Empfindungen werden erwarten
duͤrfen. Unſer Leib wird verklaͤrt ſeyn, das iſt, verfei-
nert, veredelt und den Abſichten und Geſchaͤfften des
kuͤnftigen Lebens gemaͤß eingerichtet. Alſo werden auch
jene ſinnliche Freuden in eben dem Verhaͤltniſſe edler,
feiner und himmliſcher ſeyn, als wir ſie hier haben koͤn-
nen. — Der angenehme Eindruck, den hier Schoͤnheit,
Harmonie, Erhabenheit, in den Werken der Natur und
Kunſt, auf uns macht, iſt immer von undeutlichen Vor-
ſtellungen begleitet, und gruͤndet ſich oft in der Jlluſion.
Dort werden wir ohne Zweifel mit unſern Sinnen tiefer
in die Gegenſtaͤnde eindringen, mehr auf einmahl faſſen,
keinem Betruge der Sinne unterworfen ſeyn, und daher
auch mehr und deutlicher erkannte Urſache zur Freude
uͤber die Empfindung ſinnlicher Annehmlichkeiten haben.
— Es koͤnnen auch wohl mehr Sinne fuͤr den verklaͤr-
ten Leib moͤglich ſeyn, als der irdiſche hat. Dadurch
koͤnnen unzaͤhlige Quellen neuer Freuden eroͤffnet werden,
von denen wir uns hier, wegen unſrer gaͤnzlichen Unbe-
kanntſchaft mit ihnen, gar keine Vorſtellungen machen
koͤnnen. — Die richtigere und ausgebreitetere Erkenntniß
der Werke Gottes, von denen wir hier nur ſehr wenige
in
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |