ein Zimmermann eben so viel ist, als ein König. Und eben so kommen mir ihre Einwürfe gegen die Auferste- hung vor. Weil sie den in der Natur überall umherge- streuten Staub der Verstorbenen nicht aufsuchen, zusam- mensetzen und beleben können, so soll Gott dazu auch nicht im Stande seyn. --
Jhr Leib also, fuhr ich nun fort, den in kurzer Zeit die Verwesung angreifen und zerstören wird, dieser Leib, den Jhre Seele als Jhr Werkzeug und Jhre Woh- nung liebt, und dessen sie nicht wohl entbehren zu können glaubt, wird wieder hergestellt werden. Er wird die Stimme des Erweckers hören, und Leben und Bewegung fühlen. Und verbessert, veredelt, verfeinert werden Sie ihn aus der Bewahrung des Todes wieder empfangen. Hier war er Jhnen immer eine schwere Last, die mit Mühe fortbewegt werden mußte; dort wird er, von gro- ber irdischer Materie frey, leicht, behend und geschwinde seyn. Hier war er der Schwachheit, dem Schmerz, der Krankheit unterworfen; dort wird er nur angeneh- mer Empfindungen fähig seyn, eine ewig blühende Ge- sundheit genießen, und mit Kraft erfüllt werden. Hier ist er Jhnen die mächtigste Versuchung zur Sünde gewe- sen; dort wird er heilig seyn, keine Aufwallung böser Lüste wird durch ihn veranlaßt werden, keine verführeri- sche Empfindungen wird er der Seele mittheilen. Hier steht ihm der Tod bevor; dort wird er ihn nicht wieder zu befürchten haben. -- Vielleicht, sagte hier der Graf, werden wir in der künftigen Welt noch manche Epoche unsrer Existenz zu erwarten haben, und also aus einem Zustande in den andern übergehen. Aber gewiß nicht durch den unangenehmen Weg des Todes, der eine Folge der Sünde ist. Gott hätte uns auch von hier aus auf einem andern angenehmern Wege zu unsrer nächsten Be- stimmung führen können, wie die Beyspiele Enochs und Elias beweisen, wenn nicht durch die Sünde der Tod
noth-
ein Zimmermann eben ſo viel iſt, als ein Koͤnig. Und eben ſo kommen mir ihre Einwuͤrfe gegen die Auferſte- hung vor. Weil ſie den in der Natur uͤberall umherge- ſtreuten Staub der Verſtorbenen nicht aufſuchen, zuſam- menſetzen und beleben koͤnnen, ſo ſoll Gott dazu auch nicht im Stande ſeyn. —
Jhr Leib alſo, fuhr ich nun fort, den in kurzer Zeit die Verweſung angreifen und zerſtoͤren wird, dieſer Leib, den Jhre Seele als Jhr Werkzeug und Jhre Woh- nung liebt, und deſſen ſie nicht wohl entbehren zu koͤnnen glaubt, wird wieder hergeſtellt werden. Er wird die Stimme des Erweckers hoͤren, und Leben und Bewegung fuͤhlen. Und verbeſſert, veredelt, verfeinert werden Sie ihn aus der Bewahrung des Todes wieder empfangen. Hier war er Jhnen immer eine ſchwere Laſt, die mit Muͤhe fortbewegt werden mußte; dort wird er, von gro- ber irdiſcher Materie frey, leicht, behend und geſchwinde ſeyn. Hier war er der Schwachheit, dem Schmerz, der Krankheit unterworfen; dort wird er nur angeneh- mer Empfindungen faͤhig ſeyn, eine ewig bluͤhende Ge- ſundheit genießen, und mit Kraft erfuͤllt werden. Hier iſt er Jhnen die maͤchtigſte Verſuchung zur Suͤnde gewe- ſen; dort wird er heilig ſeyn, keine Aufwallung boͤſer Luͤſte wird durch ihn veranlaßt werden, keine verfuͤhreri- ſche Empfindungen wird er der Seele mittheilen. Hier ſteht ihm der Tod bevor; dort wird er ihn nicht wieder zu befuͤrchten haben. — Vielleicht, ſagte hier der Graf, werden wir in der kuͤnftigen Welt noch manche Epoche unſrer Exiſtenz zu erwarten haben, und alſo aus einem Zuſtande in den andern uͤbergehen. Aber gewiß nicht durch den unangenehmen Weg des Todes, der eine Folge der Suͤnde iſt. Gott haͤtte uns auch von hier aus auf einem andern angenehmern Wege zu unſrer naͤchſten Be- ſtimmung fuͤhren koͤnnen, wie die Beyſpiele Enochs und Elias beweiſen, wenn nicht durch die Suͤnde der Tod
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ein Zimmermann eben ſo viel iſt, als ein Koͤnig. Und
eben ſo kommen mir ihre Einwuͤrfe gegen die Auferſte-
hung vor. Weil ſie den in der Natur uͤberall umherge-
ſtreuten Staub der Verſtorbenen nicht aufſuchen, zuſam-
menſetzen und beleben koͤnnen, ſo ſoll Gott dazu auch
nicht im Stande ſeyn. —
Jhr Leib alſo, fuhr ich nun fort, den in kurzer
Zeit die Verweſung angreifen und zerſtoͤren wird, dieſer
Leib, den Jhre Seele als Jhr Werkzeug und Jhre Woh-
nung liebt, und deſſen ſie nicht wohl entbehren zu koͤnnen
glaubt, wird wieder hergeſtellt werden. Er wird die
Stimme des Erweckers hoͤren, und Leben und Bewegung
fuͤhlen. Und verbeſſert, veredelt, verfeinert werden Sie
ihn aus der Bewahrung des Todes wieder empfangen.
Hier war er Jhnen immer eine ſchwere Laſt, die mit
Muͤhe fortbewegt werden mußte; dort wird er, von gro-
ber irdiſcher Materie frey, leicht, behend und geſchwinde
ſeyn. Hier war er der Schwachheit, dem Schmerz,
der Krankheit unterworfen; dort wird er nur angeneh-
mer Empfindungen faͤhig ſeyn, eine ewig bluͤhende Ge-
ſundheit genießen, und mit Kraft erfuͤllt werden. Hier
iſt er Jhnen die maͤchtigſte Verſuchung zur Suͤnde gewe-
ſen; dort wird er heilig ſeyn, keine Aufwallung boͤſer
Luͤſte wird durch ihn veranlaßt werden, keine verfuͤhreri-
ſche Empfindungen wird er der Seele mittheilen. Hier
ſteht ihm der Tod bevor; dort wird er ihn nicht wieder zu
befuͤrchten haben. — Vielleicht, ſagte hier der Graf,
werden wir in der kuͤnftigen Welt noch manche Epoche
unſrer Exiſtenz zu erwarten haben, und alſo aus einem
Zuſtande in den andern uͤbergehen. Aber gewiß nicht
durch den unangenehmen Weg des Todes, der eine Folge
der Suͤnde iſt. Gott haͤtte uns auch von hier aus auf
einem andern angenehmern Wege zu unſrer naͤchſten Be-
ſtimmung fuͤhren koͤnnen, wie die Beyſpiele Enochs und
Elias beweiſen, wenn nicht durch die Suͤnde der Tod
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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/228>, abgerufen am 16.02.2025.
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