Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite



meine vorige Situation wieder hergestellt werden, unter
der Bedingung, daß ich das Geständniß, welches ich
von meinen Verbrechen abgelegt habe, wieder zurücknäh-
me, und meine neue Aussage durch einen Eid bekräftigte,
so bin ich überzeugt, ich würde lieber sterben, als die
Wahrheit wiederrufen und den Eid ablegen. So würde
ich gewiß nicht denken, wenn ich nicht von der Ewigkeit
überzeugt wäre, sondern vielmehr wünschte und glaubte,
daß sie eine leere Einbildung sey. Aber ich sehe nun,
wie schwer es ist, solche falsche Jdeen, die man sonst
gerne gedacht hat, ganz auszurotten.

Er hatte Spaldings Predigten durchgelesen,
und versicherte mich, daß er sehr dadurch erbaut worden
wäre. Einige von seinen Büchern, die am meisten zu
seiner Erleuchtung und Besserung beygetragen hatten,
hatte er seinem Freunde, dem Grafen Brandt, zugeschickt,
für den er die zärtlichste Sorgfalt bezeugte. Jch hatte
ihm schon bey meinem letzten Besuch Schlegels Passions-
predigten gebracht, und heute gab ich ihm den Doddrid-
ge vom Anfange und Fortgange der wahren Gottseelig-
keit. Er bat mich auch an seine Eltern zu schreiben,
und sie durch die Nachrichten zu trösten, die ich ihnen
nun von ihm würde geben können.

Fünf und zwanzigste Unterredung, den
11ten April.

Diese Unterredung hatte keinen gewissen und bestimm-
ten Zweck. Wir sprachen über verschiedene Wahr-
heiten der Religion. Folgendes halte ich nicht für un-
würdig angemerkt zu werden.

Es hatte in diesen Tagen jemand dem Grafen
gestanden, daß er nicht gern in der Bibel läse, weil die

Schreib-



meine vorige Situation wieder hergeſtellt werden, unter
der Bedingung, daß ich das Geſtaͤndniß, welches ich
von meinen Verbrechen abgelegt habe, wieder zuruͤcknaͤh-
me, und meine neue Auſſage durch einen Eid bekraͤftigte,
ſo bin ich uͤberzeugt, ich wuͤrde lieber ſterben, als die
Wahrheit wiederrufen und den Eid ablegen. So wuͤrde
ich gewiß nicht denken, wenn ich nicht von der Ewigkeit
uͤberzeugt waͤre, ſondern vielmehr wuͤnſchte und glaubte,
daß ſie eine leere Einbildung ſey. Aber ich ſehe nun,
wie ſchwer es iſt, ſolche falſche Jdeen, die man ſonſt
gerne gedacht hat, ganz auszurotten.

Er hatte Spaldings Predigten durchgeleſen,
und verſicherte mich, daß er ſehr dadurch erbaut worden
waͤre. Einige von ſeinen Buͤchern, die am meiſten zu
ſeiner Erleuchtung und Beſſerung beygetragen hatten,
hatte er ſeinem Freunde, dem Grafen Brandt, zugeſchickt,
fuͤr den er die zaͤrtlichſte Sorgfalt bezeugte. Jch hatte
ihm ſchon bey meinem letzten Beſuch Schlegels Paſſions-
predigten gebracht, und heute gab ich ihm den Doddrid-
ge vom Anfange und Fortgange der wahren Gottſeelig-
keit. Er bat mich auch an ſeine Eltern zu ſchreiben,
und ſie durch die Nachrichten zu troͤſten, die ich ihnen
nun von ihm wuͤrde geben koͤnnen.

Fuͤnf und zwanzigſte Unterredung, den
11ten April.

Dieſe Unterredung hatte keinen gewiſſen und beſtimm-
ten Zweck. Wir ſprachen uͤber verſchiedene Wahr-
heiten der Religion. Folgendes halte ich nicht fuͤr un-
wuͤrdig angemerkt zu werden.

Es hatte in dieſen Tagen jemand dem Grafen
geſtanden, daß er nicht gern in der Bibel laͤſe, weil die

Schreib-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0218" n="206"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
meine vorige Situation wieder herge&#x017F;tellt werden, unter<lb/>
der Bedingung, daß ich das Ge&#x017F;ta&#x0364;ndniß, welches ich<lb/>
von meinen Verbrechen abgelegt habe, wieder zuru&#x0364;ckna&#x0364;h-<lb/>
me, und meine neue Au&#x017F;&#x017F;age durch einen Eid bekra&#x0364;ftigte,<lb/>
&#x017F;o bin ich u&#x0364;berzeugt, ich wu&#x0364;rde lieber &#x017F;terben, als die<lb/>
Wahrheit wiederrufen und den Eid ablegen. So wu&#x0364;rde<lb/>
ich gewiß nicht denken, wenn ich nicht von der Ewigkeit<lb/>
u&#x0364;berzeugt wa&#x0364;re, &#x017F;ondern vielmehr wu&#x0364;n&#x017F;chte und glaubte,<lb/>
daß &#x017F;ie eine leere Einbildung &#x017F;ey. Aber ich &#x017F;ehe nun,<lb/>
wie &#x017F;chwer es i&#x017F;t, &#x017F;olche fal&#x017F;che Jdeen, die man &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
gerne gedacht hat, ganz auszurotten.</p><lb/>
        <p>Er hatte Spaldings Predigten durchgele&#x017F;en,<lb/>
und ver&#x017F;icherte mich, daß er &#x017F;ehr dadurch erbaut worden<lb/>
wa&#x0364;re. Einige von &#x017F;einen Bu&#x0364;chern, die am mei&#x017F;ten zu<lb/>
&#x017F;einer Erleuchtung und Be&#x017F;&#x017F;erung beygetragen hatten,<lb/>
hatte er &#x017F;einem Freunde, dem Grafen Brandt, zuge&#x017F;chickt,<lb/>
fu&#x0364;r den er die za&#x0364;rtlich&#x017F;te Sorgfalt bezeugte. Jch hatte<lb/>
ihm &#x017F;chon bey meinem letzten Be&#x017F;uch Schlegels Pa&#x017F;&#x017F;ions-<lb/>
predigten gebracht, und heute gab ich ihm den Doddrid-<lb/>
ge vom Anfange und Fortgange der wahren Gott&#x017F;eelig-<lb/>
keit. Er bat mich auch an &#x017F;eine Eltern zu &#x017F;chreiben,<lb/>
und &#x017F;ie durch die Nachrichten zu tro&#x0364;&#x017F;ten, die ich ihnen<lb/>
nun von ihm wu&#x0364;rde geben ko&#x0364;nnen.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Fu&#x0364;nf und zwanzig&#x017F;te Unterredung, den<lb/>
11ten April.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>ie&#x017F;e Unterredung hatte keinen gewi&#x017F;&#x017F;en und be&#x017F;timm-<lb/>
ten Zweck. Wir &#x017F;prachen u&#x0364;ber ver&#x017F;chiedene Wahr-<lb/>
heiten der Religion. Folgendes halte ich nicht fu&#x0364;r un-<lb/>
wu&#x0364;rdig angemerkt zu werden.</p><lb/>
        <p>Es hatte in die&#x017F;en Tagen jemand dem Grafen<lb/>
ge&#x017F;tanden, daß er nicht gern in der Bibel la&#x0364;&#x017F;e, weil die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Schreib-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[206/0218] meine vorige Situation wieder hergeſtellt werden, unter der Bedingung, daß ich das Geſtaͤndniß, welches ich von meinen Verbrechen abgelegt habe, wieder zuruͤcknaͤh- me, und meine neue Auſſage durch einen Eid bekraͤftigte, ſo bin ich uͤberzeugt, ich wuͤrde lieber ſterben, als die Wahrheit wiederrufen und den Eid ablegen. So wuͤrde ich gewiß nicht denken, wenn ich nicht von der Ewigkeit uͤberzeugt waͤre, ſondern vielmehr wuͤnſchte und glaubte, daß ſie eine leere Einbildung ſey. Aber ich ſehe nun, wie ſchwer es iſt, ſolche falſche Jdeen, die man ſonſt gerne gedacht hat, ganz auszurotten. Er hatte Spaldings Predigten durchgeleſen, und verſicherte mich, daß er ſehr dadurch erbaut worden waͤre. Einige von ſeinen Buͤchern, die am meiſten zu ſeiner Erleuchtung und Beſſerung beygetragen hatten, hatte er ſeinem Freunde, dem Grafen Brandt, zugeſchickt, fuͤr den er die zaͤrtlichſte Sorgfalt bezeugte. Jch hatte ihm ſchon bey meinem letzten Beſuch Schlegels Paſſions- predigten gebracht, und heute gab ich ihm den Doddrid- ge vom Anfange und Fortgange der wahren Gottſeelig- keit. Er bat mich auch an ſeine Eltern zu ſchreiben, und ſie durch die Nachrichten zu troͤſten, die ich ihnen nun von ihm wuͤrde geben koͤnnen. Fuͤnf und zwanzigſte Unterredung, den 11ten April. Dieſe Unterredung hatte keinen gewiſſen und beſtimm- ten Zweck. Wir ſprachen uͤber verſchiedene Wahr- heiten der Religion. Folgendes halte ich nicht fuͤr un- wuͤrdig angemerkt zu werden. Es hatte in dieſen Tagen jemand dem Grafen geſtanden, daß er nicht gern in der Bibel laͤſe, weil die Schreib-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/218
Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/218>, abgerufen am 30.12.2024.