Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.zu viel sagte. Jch versprach ihm, daß ich nun über diese seine Aeußerungen von seiner gegenwärtigen Gesinnung sorgfältig nachdenken, und ihm alsdann aufrichtig nach meiner Ueberzeugung sagen wolle, ob diese mit dem Sin- ne des Evangelii übereinstimme, und er sich also für begnadigt von Gott halten könne. -- Als ich ihn verlassen wollte, bat er mich noch ein Jch habe aber, fuhr er fort, über eine andre wäre N
zu viel ſagte. Jch verſprach ihm, daß ich nun uͤber dieſe ſeine Aeußerungen von ſeiner gegenwaͤrtigen Geſinnung ſorgfaͤltig nachdenken, und ihm alsdann aufrichtig nach meiner Ueberzeugung ſagen wolle, ob dieſe mit dem Sin- ne des Evangelii uͤbereinſtimme, und er ſich alſo fuͤr begnadigt von Gott halten koͤnne. — Als ich ihn verlaſſen wollte, bat er mich noch ein Jch habe aber, fuhr er fort, uͤber eine andre waͤre N
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0205" n="193"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> zu viel ſagte. Jch verſprach ihm, daß ich nun uͤber dieſe<lb/> ſeine Aeußerungen von ſeiner gegenwaͤrtigen Geſinnung<lb/> ſorgfaͤltig nachdenken, und ihm alsdann aufrichtig nach<lb/> meiner Ueberzeugung ſagen wolle, ob dieſe mit dem Sin-<lb/> ne des Evangelii uͤbereinſtimme, und er ſich alſo fuͤr<lb/> begnadigt von Gott halten koͤnne. —</p><lb/> <p>Als ich ihn verlaſſen wollte, bat er mich noch ein<lb/> wenig bey ihm zu bleiben, weil er mir noch etwas zu<lb/> ſagen haͤtte. Jch habe, ſagte er hierauf, uͤber die Sache<lb/> nachgedacht, uͤber die ich Sie neulich um Raht fragte.<lb/> Jch ſehe es ein, mein Leben kann nicht gerettet werden.<lb/> Jch bin auch daruͤber ruhig, und hoffe der Wunſch zu<lb/> leben ſoll mich nicht mehr beunruhigen, ob ich gleich itzt<lb/> nicht wiſſen kann, wie mir ſeyn wird, wenn ich dem<lb/> Tode ganz nahe ſeyn werde. Wenn nur der ſchreckliche<lb/> Augenblick erſt uͤberſtanden iſt, ſo habe ich nichts verloh-<lb/> ren. Bin ich bey meinem Hingange zum Tode nur im<lb/> Stande zu denken, ſo bin ich gewiß, daß ich in der Re-<lb/> ligion Ruhe und Troſt genug finden werde. “Und<lb/> wenn Sie ſich nicht darauf beſinnen koͤnnten, Herr Graf,<lb/> ſo will ich Sie daran erinnern. Jch weiß zwar auch nicht,<lb/> wie mir dann ſeyn wird.„ Wenn Sie nur nicht, ſagte<lb/> er hierauf, zu ſehr afficirt werden! Das wuͤrde mich ſehr<lb/> beunruhigen. “Jch will mein moͤglichſtes thun mich in<lb/> meiner Faſſung zu erhalten, und ich hoffe, ich werde es<lb/> koͤnnen, wenn ich dann nur die Hoffnung habe, daß<lb/> Sie als ein Chriſt ſterben werden.„</p><lb/> <p>Jch habe aber, fuhr er fort, uͤber eine andre<lb/> Sache viel Unruhe gehabt. Sie wiſſen mein Hauptver-<lb/> brechen. Sie wiſſen, daß durch mein Geſtaͤndniß deſſel-<lb/> ben auch andre Perſonen, denen ich viel ſchuldig bin,<lb/> ungluͤcklich worden ſind. Dieſe Betrachtung hat mir<lb/> den Gedanken erweckt, ob es nicht meine Pflicht geweſen<lb/> <fw place="bottom" type="sig">N</fw><fw place="bottom" type="catch">waͤre</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [193/0205]
zu viel ſagte. Jch verſprach ihm, daß ich nun uͤber dieſe
ſeine Aeußerungen von ſeiner gegenwaͤrtigen Geſinnung
ſorgfaͤltig nachdenken, und ihm alsdann aufrichtig nach
meiner Ueberzeugung ſagen wolle, ob dieſe mit dem Sin-
ne des Evangelii uͤbereinſtimme, und er ſich alſo fuͤr
begnadigt von Gott halten koͤnne. —
Als ich ihn verlaſſen wollte, bat er mich noch ein
wenig bey ihm zu bleiben, weil er mir noch etwas zu
ſagen haͤtte. Jch habe, ſagte er hierauf, uͤber die Sache
nachgedacht, uͤber die ich Sie neulich um Raht fragte.
Jch ſehe es ein, mein Leben kann nicht gerettet werden.
Jch bin auch daruͤber ruhig, und hoffe der Wunſch zu
leben ſoll mich nicht mehr beunruhigen, ob ich gleich itzt
nicht wiſſen kann, wie mir ſeyn wird, wenn ich dem
Tode ganz nahe ſeyn werde. Wenn nur der ſchreckliche
Augenblick erſt uͤberſtanden iſt, ſo habe ich nichts verloh-
ren. Bin ich bey meinem Hingange zum Tode nur im
Stande zu denken, ſo bin ich gewiß, daß ich in der Re-
ligion Ruhe und Troſt genug finden werde. “Und
wenn Sie ſich nicht darauf beſinnen koͤnnten, Herr Graf,
ſo will ich Sie daran erinnern. Jch weiß zwar auch nicht,
wie mir dann ſeyn wird.„ Wenn Sie nur nicht, ſagte
er hierauf, zu ſehr afficirt werden! Das wuͤrde mich ſehr
beunruhigen. “Jch will mein moͤglichſtes thun mich in
meiner Faſſung zu erhalten, und ich hoffe, ich werde es
koͤnnen, wenn ich dann nur die Hoffnung habe, daß
Sie als ein Chriſt ſterben werden.„
Jch habe aber, fuhr er fort, uͤber eine andre
Sache viel Unruhe gehabt. Sie wiſſen mein Hauptver-
brechen. Sie wiſſen, daß durch mein Geſtaͤndniß deſſel-
ben auch andre Perſonen, denen ich viel ſchuldig bin,
ungluͤcklich worden ſind. Dieſe Betrachtung hat mir
den Gedanken erweckt, ob es nicht meine Pflicht geweſen
waͤre
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