tester, Sie mit ihm versöhnt! Wird er Jhnen die Gnade des ewigen Lebens versagen? Jst doch Christus, der Sohn Gottes, Jhr alles vermögender Fürsprecher! Gott sey hochgelobt, der Sie fähig gemacht hat, so herrliche Hoffnungen zu haben, die Jhnen keine Macht und Herr- lichkeit und Lust der Welt, die Jhnen keine Vernunft geben konnte. Er erhalte sie Jhnen bis ans Ende um seines Sohns willen!
Der Graf war sehr gerührt, und versprach den schriftlichen Aufsatz, den ich ihm über die heute abgehan- delte Materie zurückließ, mit Nachdenken durchzugehen, wie er dann auch die vorigen Blätter vor sich liegen hatte, um sie wieder durchzulesen, und sich in der Ver- bindung zu erhalten.
Er erinnerte sich, wir wären einmahl über den Gedanken einig gewesen, daß die Vernunft nicht von selbst die Lehre von der Versöhnung hätte erfinden können. Aber es hätten doch viele heidnische Völker Gott durch Opfer zu versöhnen gesucht. Jch antwortete: daß der sündige Mensch suchen müsse, Gott zu versöhnen, das lehre ihn wohl sein Gewissen. Daß man dazu die Opfer für ein dienliches Mittel gehalten habe, das könne sich in der jüdischen Offenbahrung gründen, auch hätte wohl die bloße Vernunft darauf verfallen können, weil die Opfer ein thätiger Beweis wären, daß man sich lieber von seinen Gütern etwas entziehen, als das Gefühl und Bewußtseyn des göttlichen Misfallens an sich beybehal- ten wolle. Daß aber Gott selbst seinen Sohn zum Opfer hingeben sollte, das sey die Art der Versöhnung, von der wir beyde behauptet hätten, daß die Vernunft sie nicht von selbst hätte erfinden können. Und davon sey auch ihre Abgeneigtheit gegen diese Lehre ein sicherer Beweis.
Noch
teſter, Sie mit ihm verſoͤhnt! Wird er Jhnen die Gnade des ewigen Lebens verſagen? Jſt doch Chriſtus, der Sohn Gottes, Jhr alles vermoͤgender Fuͤrſprecher! Gott ſey hochgelobt, der Sie faͤhig gemacht hat, ſo herrliche Hoffnungen zu haben, die Jhnen keine Macht und Herr- lichkeit und Luſt der Welt, die Jhnen keine Vernunft geben konnte. Er erhalte ſie Jhnen bis ans Ende um ſeines Sohns willen!
Der Graf war ſehr geruͤhrt, und verſprach den ſchriftlichen Aufſatz, den ich ihm uͤber die heute abgehan- delte Materie zuruͤckließ, mit Nachdenken durchzugehen, wie er dann auch die vorigen Blaͤtter vor ſich liegen hatte, um ſie wieder durchzuleſen, und ſich in der Ver- bindung zu erhalten.
Er erinnerte ſich, wir waͤren einmahl uͤber den Gedanken einig geweſen, daß die Vernunft nicht von ſelbſt die Lehre von der Verſoͤhnung haͤtte erfinden koͤnnen. Aber es haͤtten doch viele heidniſche Voͤlker Gott durch Opfer zu verſoͤhnen geſucht. Jch antwortete: daß der ſuͤndige Menſch ſuchen muͤſſe, Gott zu verſoͤhnen, das lehre ihn wohl ſein Gewiſſen. Daß man dazu die Opfer fuͤr ein dienliches Mittel gehalten habe, das koͤnne ſich in der juͤdiſchen Offenbahrung gruͤnden, auch haͤtte wohl die bloße Vernunft darauf verfallen koͤnnen, weil die Opfer ein thaͤtiger Beweis waͤren, daß man ſich lieber von ſeinen Guͤtern etwas entziehen, als das Gefuͤhl und Bewußtſeyn des goͤttlichen Misfallens an ſich beybehal- ten wolle. Daß aber Gott ſelbſt ſeinen Sohn zum Opfer hingeben ſollte, das ſey die Art der Verſoͤhnung, von der wir beyde behauptet haͤtten, daß die Vernunft ſie nicht von ſelbſt haͤtte erfinden koͤnnen. Und davon ſey auch ihre Abgeneigtheit gegen dieſe Lehre ein ſicherer Beweis.
Noch
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teſter, Sie mit ihm verſoͤhnt! Wird er Jhnen die Gnade
des ewigen Lebens verſagen? Jſt doch Chriſtus, der
Sohn Gottes, Jhr alles vermoͤgender Fuͤrſprecher! Gott
ſey hochgelobt, der Sie faͤhig gemacht hat, ſo herrliche
Hoffnungen zu haben, die Jhnen keine Macht und Herr-
lichkeit und Luſt der Welt, die Jhnen keine Vernunft
geben konnte. Er erhalte ſie Jhnen bis ans Ende um
ſeines Sohns willen!
Der Graf war ſehr geruͤhrt, und verſprach den
ſchriftlichen Aufſatz, den ich ihm uͤber die heute abgehan-
delte Materie zuruͤckließ, mit Nachdenken durchzugehen,
wie er dann auch die vorigen Blaͤtter vor ſich liegen
hatte, um ſie wieder durchzuleſen, und ſich in der Ver-
bindung zu erhalten.
Er erinnerte ſich, wir waͤren einmahl uͤber den
Gedanken einig geweſen, daß die Vernunft nicht von
ſelbſt die Lehre von der Verſoͤhnung haͤtte erfinden koͤnnen.
Aber es haͤtten doch viele heidniſche Voͤlker Gott durch
Opfer zu verſoͤhnen geſucht. Jch antwortete: daß der
ſuͤndige Menſch ſuchen muͤſſe, Gott zu verſoͤhnen, das
lehre ihn wohl ſein Gewiſſen. Daß man dazu die Opfer
fuͤr ein dienliches Mittel gehalten habe, das koͤnne ſich
in der juͤdiſchen Offenbahrung gruͤnden, auch haͤtte wohl
die bloße Vernunft darauf verfallen koͤnnen, weil die
Opfer ein thaͤtiger Beweis waͤren, daß man ſich lieber
von ſeinen Guͤtern etwas entziehen, als das Gefuͤhl und
Bewußtſeyn des goͤttlichen Misfallens an ſich beybehal-
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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/170>, abgerufen am 28.07.2024.
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