um das Böse, das ich würklich that, bekümmerte ich mich nicht. --
Um diese Zeit fieng ich an eine gewisse ruhige Heiterkeit an dem Grafen zu bemerken, die mir von sei- ner ernstlichen Reue, seiner Ueberzeugung, daß ihn Gott um Christi willen begnadigen werde, und dem Bewußtseyn, das er von der Verbesserung seiner Gesin- nungen haben konnte, eine gute Würkung zu seyn schien. Noch sichtbarer war diese seine Gemühtsverfassung in dem letzten über ihn gehaltenen Verhör seinen Richtern gewesen. Diese hatten ihn seit der Zeit, da ich ihn be- sucht hatte, nicht gesehen, und konnten also diese bey ihm vorgegangene Veränderung zuverlässiger wahrneh- men als ich, der ich ihn in dieser Zeit so oft gesprochen hatte. Einer unter ihnen sagte mir: er habe sich in die- sem Verhör auf eine sehr gute Art betragen, und bey Gelegenheit sich mit einer gewissen sichtbaren Freudigkeit auf die Seeligkeit berufen, die er zu erlangen hoffe. Er sey unter ihnen als unter seinen Freunden gewesen, und habe von seinen Sachen gesprochen, wie man von ganz gleichgültigen Dingen redet. Sie wären alle durch sein Betragen gerührt worden.
Bey dem allen schien es mir doch, als wenn er noch irgend ein besonderes Gefühl von seiner Begnadi- gung bey Gott erwartete. Er hatte schon mehrmals so etwas gesagt, das mich in dieser Vermuhtung bestärkte. Es war auch aus der Lehrart, nach der ihm in seiner Jugend das Christenthum vorgetragen war, mehr als wahrscheinlich, daß er wohl solche Vorstellungen haben möchte. Suchte ich ihm nun nicht über diese Sache seine Begriffe zu berichtigen, so war von zweyen übeln Erfol- gen einer zu befürchten. Jn dem einen Falle konnte er sich überreden, daß er solche Gefühle würklich habe,
und
um das Boͤſe, das ich wuͤrklich that, bekuͤmmerte ich mich nicht. —
Um dieſe Zeit fieng ich an eine gewiſſe ruhige Heiterkeit an dem Grafen zu bemerken, die mir von ſei- ner ernſtlichen Reue, ſeiner Ueberzeugung, daß ihn Gott um Chriſti willen begnadigen werde, und dem Bewußtſeyn, das er von der Verbeſſerung ſeiner Geſin- nungen haben konnte, eine gute Wuͤrkung zu ſeyn ſchien. Noch ſichtbarer war dieſe ſeine Gemuͤhtsverfaſſung in dem letzten uͤber ihn gehaltenen Verhoͤr ſeinen Richtern geweſen. Dieſe hatten ihn ſeit der Zeit, da ich ihn be- ſucht hatte, nicht geſehen, und konnten alſo dieſe bey ihm vorgegangene Veraͤnderung zuverlaͤſſiger wahrneh- men als ich, der ich ihn in dieſer Zeit ſo oft geſprochen hatte. Einer unter ihnen ſagte mir: er habe ſich in die- ſem Verhoͤr auf eine ſehr gute Art betragen, und bey Gelegenheit ſich mit einer gewiſſen ſichtbaren Freudigkeit auf die Seeligkeit berufen, die er zu erlangen hoffe. Er ſey unter ihnen als unter ſeinen Freunden geweſen, und habe von ſeinen Sachen geſprochen, wie man von ganz gleichguͤltigen Dingen redet. Sie waͤren alle durch ſein Betragen geruͤhrt worden.
Bey dem allen ſchien es mir doch, als wenn er noch irgend ein beſonderes Gefuͤhl von ſeiner Begnadi- gung bey Gott erwartete. Er hatte ſchon mehrmals ſo etwas geſagt, das mich in dieſer Vermuhtung beſtaͤrkte. Es war auch aus der Lehrart, nach der ihm in ſeiner Jugend das Chriſtenthum vorgetragen war, mehr als wahrſcheinlich, daß er wohl ſolche Vorſtellungen haben moͤchte. Suchte ich ihm nun nicht uͤber dieſe Sache ſeine Begriffe zu berichtigen, ſo war von zweyen uͤbeln Erfol- gen einer zu befuͤrchten. Jn dem einen Falle konnte er ſich uͤberreden, daß er ſolche Gefuͤhle wuͤrklich habe,
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um das Boͤſe, das ich wuͤrklich that, bekuͤmmerte ich
mich nicht. —
Um dieſe Zeit fieng ich an eine gewiſſe ruhige
Heiterkeit an dem Grafen zu bemerken, die mir von ſei-
ner ernſtlichen Reue, ſeiner Ueberzeugung, daß ihn
Gott um Chriſti willen begnadigen werde, und dem
Bewußtſeyn, das er von der Verbeſſerung ſeiner Geſin-
nungen haben konnte, eine gute Wuͤrkung zu ſeyn ſchien.
Noch ſichtbarer war dieſe ſeine Gemuͤhtsverfaſſung in
dem letzten uͤber ihn gehaltenen Verhoͤr ſeinen Richtern
geweſen. Dieſe hatten ihn ſeit der Zeit, da ich ihn be-
ſucht hatte, nicht geſehen, und konnten alſo dieſe bey
ihm vorgegangene Veraͤnderung zuverlaͤſſiger wahrneh-
men als ich, der ich ihn in dieſer Zeit ſo oft geſprochen
hatte. Einer unter ihnen ſagte mir: er habe ſich in die-
ſem Verhoͤr auf eine ſehr gute Art betragen, und bey
Gelegenheit ſich mit einer gewiſſen ſichtbaren Freudigkeit
auf die Seeligkeit berufen, die er zu erlangen hoffe. Er
ſey unter ihnen als unter ſeinen Freunden geweſen, und
habe von ſeinen Sachen geſprochen, wie man von ganz
gleichguͤltigen Dingen redet. Sie waͤren alle durch ſein
Betragen geruͤhrt worden.
Bey dem allen ſchien es mir doch, als wenn er
noch irgend ein beſonderes Gefuͤhl von ſeiner Begnadi-
gung bey Gott erwartete. Er hatte ſchon mehrmals ſo
etwas geſagt, das mich in dieſer Vermuhtung beſtaͤrkte.
Es war auch aus der Lehrart, nach der ihm in ſeiner
Jugend das Chriſtenthum vorgetragen war, mehr als
wahrſcheinlich, daß er wohl ſolche Vorſtellungen haben
moͤchte. Suchte ich ihm nun nicht uͤber dieſe Sache ſeine
Begriffe zu berichtigen, ſo war von zweyen uͤbeln Erfol-
gen einer zu befuͤrchten. Jn dem einen Falle konnte er
ſich uͤberreden, daß er ſolche Gefuͤhle wuͤrklich habe,
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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/137>, abgerufen am 28.07.2024.
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