Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.nicht, als wenn es mich zweifelhaft oder unruhig machte. Wenn ich nicht sehr irre, antwortete ich ihm, so müssen Sie im Lesen selbst sehr natürliche und beruhigende Ursa- chen von der Seltenheit dieser Zeugnisse bemerkt haben. Sie werden sie sich auch selbst erklären können, wenn Sie nur bedenken wollen, daß die Bücher des neuen Testaments nahe an der Mitte und größtentheils erst in der letzten Hälfte des ersten Jahrhunderts geschrieben sind. Aus dieser Anmerkung folgt, daß sie im ersten Seculo noch nicht in vieler Leute Händen seyn konnten, zumahl da sie großentheils an einzelne Personen und Ge- meinen gerichtet waren, die die Originale ohne Zweifel sorgfältig aufhoben, und vielleicht auch nicht sogleich Abschriften an andre mittheilten. Uberdieß haben wir auch aus dem ersten Jahrhunderte wenig Schriftsteller, die für die Avthenticität der Bücher des neuen Testa- ments hätten Zeugnisse ablegen können, und in denen wir berechtigt sind sie zu erwarten. Desto reicher ist aber die Erndte derselben in den nächstfolgenden Zeiten. u. s. w. Aus der kurzen Anzeige der vornehmsten natura- einzige
nicht, als wenn es mich zweifelhaft oder unruhig machte. Wenn ich nicht ſehr irre, antwortete ich ihm, ſo muͤſſen Sie im Leſen ſelbſt ſehr natuͤrliche und beruhigende Urſa- chen von der Seltenheit dieſer Zeugniſſe bemerkt haben. Sie werden ſie ſich auch ſelbſt erklaͤren koͤnnen, wenn Sie nur bedenken wollen, daß die Buͤcher des neuen Teſtaments nahe an der Mitte und groͤßtentheils erſt in der letzten Haͤlfte des erſten Jahrhunderts geſchrieben ſind. Aus dieſer Anmerkung folgt, daß ſie im erſten Seculo noch nicht in vieler Leute Haͤnden ſeyn konnten, zumahl da ſie großentheils an einzelne Perſonen und Ge- meinen gerichtet waren, die die Originale ohne Zweifel ſorgfaͤltig aufhoben, und vielleicht auch nicht ſogleich Abſchriften an andre mittheilten. Uberdieß haben wir auch aus dem erſten Jahrhunderte wenig Schriftſteller, die fuͤr die Avthenticitaͤt der Buͤcher des neuen Teſta- ments haͤtten Zeugniſſe ablegen koͤnnen, und in denen wir berechtigt ſind ſie zu erwarten. Deſto reicher iſt aber die Erndte derſelben in den naͤchſtfolgenden Zeiten. u. ſ. w. Aus der kurzen Anzeige der vornehmſten natura- einzige
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nicht, als wenn es mich zweifelhaft oder unruhig machte.
Wenn ich nicht ſehr irre, antwortete ich ihm, ſo muͤſſen
Sie im Leſen ſelbſt ſehr natuͤrliche und beruhigende Urſa-
chen von der Seltenheit dieſer Zeugniſſe bemerkt haben.
Sie werden ſie ſich auch ſelbſt erklaͤren koͤnnen, wenn
Sie nur bedenken wollen, daß die Buͤcher des neuen
Teſtaments nahe an der Mitte und groͤßtentheils erſt in
der letzten Haͤlfte des erſten Jahrhunderts geſchrieben
ſind. Aus dieſer Anmerkung folgt, daß ſie im erſten
Seculo noch nicht in vieler Leute Haͤnden ſeyn konnten,
zumahl da ſie großentheils an einzelne Perſonen und Ge-
meinen gerichtet waren, die die Originale ohne Zweifel
ſorgfaͤltig aufhoben, und vielleicht auch nicht ſogleich
Abſchriften an andre mittheilten. Uberdieß haben wir
auch aus dem erſten Jahrhunderte wenig Schriftſteller,
die fuͤr die Avthenticitaͤt der Buͤcher des neuen Teſta-
ments haͤtten Zeugniſſe ablegen koͤnnen, und in denen
wir berechtigt ſind ſie zu erwarten. Deſto reicher iſt
aber die Erndte derſelben in den naͤchſtfolgenden Zeiten.
u. ſ. w.
Aus der kurzen Anzeige der vornehmſten natura-
liſtiſchen Schriften, die in dieſem Buche enthalten iſt,
ſetzte der Graf hinzu, habe ich geſehen, daß die Ein-
wuͤrfe der beruͤhmteſten Widerſacher der Offenbahrung
von gar keiner Bedeutung ſind. Nicht allein das, ant-
wortete ich, werden ſie geſehen haben, ſondern auch die
Unbilligkeit, den Leichtſinn und die Unzuverlaͤſſigkeit dieſer
Schriftſteller, die ſo oft den nicht ungegruͤndeten Verdacht
gegen ſie erwecken, daß ſie gar nicht willens geweſen
ſind, die Wahrheit zu pruͤfen, ſondern nur ſie zu unter-
druͤcken. Wie oft ſind ſie nicht aufgefordert worden,
wenn ſie ja feindſeelig gegen die Religion handeln woll-
ten, ſie in ihren Beweiſen und Gruͤnden anzugreifen!
Aber anſtatt ſich darauf einzulaſſen, ob dieß gleich die
einzige
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Zitationshilfe: | Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/132>, abgerufen am 28.07.2024. |