hören mit wahrer Güte und Weisheit zu regieren, wenn er auf eine bloße unthätige Reue vergeben wollte.
Der Graf folgte mir mit ununterbrochener Auf- merksamkeit, und gestand, daß die bloße Reue keine ge- gründete Hoffnung der Begnadigung gebe. Wir nahmen also das andere von der Vernunft empfohlene Mittel vor uns, und dieses war die Ersetzung des verursachten Schadens. Diese Ersetzung, sagte ich, wäre freylich weit mehr, als bloße Reue. Aber bey aller Ersetzung wäre doch noch der bewiesene Ungehorsam gegen Gott, die Beleidigung seiner Majestät, die Empörung gegen seine wohlthätigen Absichten, höchst strafbar. Es wäre immer noch die Frage, ob Gott das alles ungestraft hin- gehen lassen wolle, und ob er es, nach den Regeln, nach welchen er seine Welt regiert, ungestraft hingehen lassen könne. -- Was wollen wir aber auch von Ersetzung des gestifteten Schadens reden? Kann der Sünder sie jemals leisten? Es sind einige wenige Fälle möglich, wo er vielleicht glauben möchte, daß er das verursachte Böse wieder gut machen könne. Aber im Ganzen? Kennt er alle seine Sünden? Weiß er alle ihre Folgen? So müßte er allwissend seyn! Kann er den Fortlauf dieser Folgen verhindern? Kann er sie aus dem Ganzen, in welchem sie verwickelt sind, losreißen? Kann er ihnen noch nach seinem Tode, ja bis ans Ende der Welt, nachgehen, und sie überall hemmen, wohin sie sich verbreiten? So müßte er allmächtig und allgegenwärtig seyn! Nein, Herr Graf, es ist nichts mit der Ersetzung des Schadens. Sie ist nicht hinreichend, sie ist so gar ganz unmöglich!
Wir giengen nun zu der Besserung des Lebens, als dem dritten der von der Vernunft an die Hand gege- benen Mittel fort. Sie ist gut, sagte ich, muß auch wenigstens diese Würkung haben, daß sie dem Richter
der
hoͤren mit wahrer Guͤte und Weisheit zu regieren, wenn er auf eine bloße unthaͤtige Reue vergeben wollte.
Der Graf folgte mir mit ununterbrochener Auf- merkſamkeit, und geſtand, daß die bloße Reue keine ge- gruͤndete Hoffnung der Begnadigung gebe. Wir nahmen alſo das andere von der Vernunft empfohlene Mittel vor uns, und dieſes war die Erſetzung des verurſachten Schadens. Dieſe Erſetzung, ſagte ich, waͤre freylich weit mehr, als bloße Reue. Aber bey aller Erſetzung waͤre doch noch der bewieſene Ungehorſam gegen Gott, die Beleidigung ſeiner Majeſtaͤt, die Empoͤrung gegen ſeine wohlthaͤtigen Abſichten, hoͤchſt ſtrafbar. Es waͤre immer noch die Frage, ob Gott das alles ungeſtraft hin- gehen laſſen wolle, und ob er es, nach den Regeln, nach welchen er ſeine Welt regiert, ungeſtraft hingehen laſſen koͤnne. — Was wollen wir aber auch von Erſetzung des geſtifteten Schadens reden? Kann der Suͤnder ſie jemals leiſten? Es ſind einige wenige Faͤlle moͤglich, wo er vielleicht glauben moͤchte, daß er das verurſachte Boͤſe wieder gut machen koͤnne. Aber im Ganzen? Kennt er alle ſeine Suͤnden? Weiß er alle ihre Folgen? So muͤßte er allwiſſend ſeyn! Kann er den Fortlauf dieſer Folgen verhindern? Kann er ſie aus dem Ganzen, in welchem ſie verwickelt ſind, losreißen? Kann er ihnen noch nach ſeinem Tode, ja bis ans Ende der Welt, nachgehen, und ſie uͤberall hemmen, wohin ſie ſich verbreiten? So muͤßte er allmaͤchtig und allgegenwaͤrtig ſeyn! Nein, Herr Graf, es iſt nichts mit der Erſetzung des Schadens. Sie iſt nicht hinreichend, ſie iſt ſo gar ganz unmoͤglich!
Wir giengen nun zu der Beſſerung des Lebens, als dem dritten der von der Vernunft an die Hand gege- benen Mittel fort. Sie iſt gut, ſagte ich, muß auch wenigſtens dieſe Wuͤrkung haben, daß ſie dem Richter
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hoͤren mit wahrer Guͤte und Weisheit zu regieren,
wenn er auf eine bloße unthaͤtige Reue vergeben wollte.
Der Graf folgte mir mit ununterbrochener Auf-
merkſamkeit, und geſtand, daß die bloße Reue keine ge-
gruͤndete Hoffnung der Begnadigung gebe. Wir nahmen
alſo das andere von der Vernunft empfohlene Mittel vor
uns, und dieſes war die Erſetzung des verurſachten
Schadens. Dieſe Erſetzung, ſagte ich, waͤre freylich
weit mehr, als bloße Reue. Aber bey aller Erſetzung
waͤre doch noch der bewieſene Ungehorſam gegen Gott,
die Beleidigung ſeiner Majeſtaͤt, die Empoͤrung gegen
ſeine wohlthaͤtigen Abſichten, hoͤchſt ſtrafbar. Es waͤre
immer noch die Frage, ob Gott das alles ungeſtraft hin-
gehen laſſen wolle, und ob er es, nach den Regeln, nach
welchen er ſeine Welt regiert, ungeſtraft hingehen laſſen
koͤnne. — Was wollen wir aber auch von Erſetzung des
geſtifteten Schadens reden? Kann der Suͤnder ſie jemals
leiſten? Es ſind einige wenige Faͤlle moͤglich, wo er
vielleicht glauben moͤchte, daß er das verurſachte Boͤſe
wieder gut machen koͤnne. Aber im Ganzen? Kennt er
alle ſeine Suͤnden? Weiß er alle ihre Folgen? So muͤßte
er allwiſſend ſeyn! Kann er den Fortlauf dieſer Folgen
verhindern? Kann er ſie aus dem Ganzen, in welchem
ſie verwickelt ſind, losreißen? Kann er ihnen noch nach
ſeinem Tode, ja bis ans Ende der Welt, nachgehen,
und ſie uͤberall hemmen, wohin ſie ſich verbreiten? So
muͤßte er allmaͤchtig und allgegenwaͤrtig ſeyn! Nein,
Herr Graf, es iſt nichts mit der Erſetzung des Schadens.
Sie iſt nicht hinreichend, ſie iſt ſo gar ganz unmoͤglich!
Wir giengen nun zu der Beſſerung des Lebens,
als dem dritten der von der Vernunft an die Hand gege-
benen Mittel fort. Sie iſt gut, ſagte ich, muß auch
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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/104>, abgerufen am 16.02.2025.
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