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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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werden? -- Endlich scheint auch ein Vorgefühl von
den Strafen der Sünde in der Ewigkeit tief in unsrer
Natur zu liegen, oder, welches mit andern Worten
gesagt dasselbe ist, unser Gewissen bezeugt es uns.
Warum fürchten wir uns, wenn wir ein böses Gewissen
haben, vor dem Tode, und können seine Annäherung
mit Ruhe und Freudigkeit sehen, wenn unser Gewissen
unbefleckt ist? Warum fürchtet sich auch der Sünder,
der sich ganz vom Joche der Religion losgerissen hat,
wenigstens dann, wann er seinen Tod gewiß vor Augen
sieht. Hier meynte der Graf, diese Furcht könne wohl
nur die bloße natürliche Todesfurcht seyn. Er fand aber
diesen Zweifel durch seine eigne Empfindung widerlegt.
Er gestund, daß er sich itzt weniger vor dem Tode als
seiner Sünden wegen fürchte, ob er gleich vermuhte,
daß er ohne sonderliche Furcht gestorben seyn würde,
wenn wir nicht mit einander bekannt geworden wären,
und er nicht diese Bücher gelesen hätte.

Sind also für den Sünder in der Ewigkeit Stra-
fen zu erwarten, oder auch nur zu vermuhten, und dieß
ist doch das wenigste, was aus den angeführten Grün-
den folgt, so hat er große Ursache, sich zu bemühen, daß
er sie von sich abwenden möge. Was kann die Vernunft
ihm dazu für Raht geben? Sie weiß nur diese drey Mit-
tel vorzuschlagen: Reue, Ersetzung des verursachten
Schadens und künftige Besserung. Sie könnte auch
noch wohl die Opfer hinzusetzen. Aber sie würde doch
auch gleich begreifen, daß die Opfer an sich selbst Gott
nicht versöhnen, sondern daß sie nur in so ferne für Mittel
dazu gehalten werden können, in wie ferne sie ein Beweis
der Reue des Sünders und seiner Entschießung sind,
lieber etwas, das ihm angenehm und wehrt ist, zu ent-
behren, als sich des göttlichen Unwillens über sich und
seine Handlungen länger bewußt zu seyn. Und so wäre

Reue



werden? — Endlich ſcheint auch ein Vorgefuͤhl von
den Strafen der Suͤnde in der Ewigkeit tief in unſrer
Natur zu liegen, oder, welches mit andern Worten
geſagt daſſelbe iſt, unſer Gewiſſen bezeugt es uns.
Warum fuͤrchten wir uns, wenn wir ein boͤſes Gewiſſen
haben, vor dem Tode, und koͤnnen ſeine Annaͤherung
mit Ruhe und Freudigkeit ſehen, wenn unſer Gewiſſen
unbefleckt iſt? Warum fuͤrchtet ſich auch der Suͤnder,
der ſich ganz vom Joche der Religion losgeriſſen hat,
wenigſtens dann, wann er ſeinen Tod gewiß vor Augen
ſieht. Hier meynte der Graf, dieſe Furcht koͤnne wohl
nur die bloße natuͤrliche Todesfurcht ſeyn. Er fand aber
dieſen Zweifel durch ſeine eigne Empfindung widerlegt.
Er geſtund, daß er ſich itzt weniger vor dem Tode als
ſeiner Suͤnden wegen fuͤrchte, ob er gleich vermuhte,
daß er ohne ſonderliche Furcht geſtorben ſeyn wuͤrde,
wenn wir nicht mit einander bekannt geworden waͤren,
und er nicht dieſe Buͤcher geleſen haͤtte.

Sind alſo fuͤr den Suͤnder in der Ewigkeit Stra-
fen zu erwarten, oder auch nur zu vermuhten, und dieß
iſt doch das wenigſte, was aus den angefuͤhrten Gruͤn-
den folgt, ſo hat er große Urſache, ſich zu bemuͤhen, daß
er ſie von ſich abwenden moͤge. Was kann die Vernunft
ihm dazu fuͤr Raht geben? Sie weiß nur dieſe drey Mit-
tel vorzuſchlagen: Reue, Erſetzung des verurſachten
Schadens und kuͤnftige Beſſerung. Sie koͤnnte auch
noch wohl die Opfer hinzuſetzen. Aber ſie wuͤrde doch
auch gleich begreifen, daß die Opfer an ſich ſelbſt Gott
nicht verſoͤhnen, ſondern daß ſie nur in ſo ferne fuͤr Mittel
dazu gehalten werden koͤnnen, in wie ferne ſie ein Beweis
der Reue des Suͤnders und ſeiner Entſchießung ſind,
lieber etwas, das ihm angenehm und wehrt iſt, zu ent-
behren, als ſich des goͤttlichen Unwillens uͤber ſich und
ſeine Handlungen laͤnger bewußt zu ſeyn. Und ſo waͤre

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[90/0102] werden? — Endlich ſcheint auch ein Vorgefuͤhl von den Strafen der Suͤnde in der Ewigkeit tief in unſrer Natur zu liegen, oder, welches mit andern Worten geſagt daſſelbe iſt, unſer Gewiſſen bezeugt es uns. Warum fuͤrchten wir uns, wenn wir ein boͤſes Gewiſſen haben, vor dem Tode, und koͤnnen ſeine Annaͤherung mit Ruhe und Freudigkeit ſehen, wenn unſer Gewiſſen unbefleckt iſt? Warum fuͤrchtet ſich auch der Suͤnder, der ſich ganz vom Joche der Religion losgeriſſen hat, wenigſtens dann, wann er ſeinen Tod gewiß vor Augen ſieht. Hier meynte der Graf, dieſe Furcht koͤnne wohl nur die bloße natuͤrliche Todesfurcht ſeyn. Er fand aber dieſen Zweifel durch ſeine eigne Empfindung widerlegt. Er geſtund, daß er ſich itzt weniger vor dem Tode als ſeiner Suͤnden wegen fuͤrchte, ob er gleich vermuhte, daß er ohne ſonderliche Furcht geſtorben ſeyn wuͤrde, wenn wir nicht mit einander bekannt geworden waͤren, und er nicht dieſe Buͤcher geleſen haͤtte. Sind alſo fuͤr den Suͤnder in der Ewigkeit Stra- fen zu erwarten, oder auch nur zu vermuhten, und dieß iſt doch das wenigſte, was aus den angefuͤhrten Gruͤn- den folgt, ſo hat er große Urſache, ſich zu bemuͤhen, daß er ſie von ſich abwenden moͤge. Was kann die Vernunft ihm dazu fuͤr Raht geben? Sie weiß nur dieſe drey Mit- tel vorzuſchlagen: Reue, Erſetzung des verurſachten Schadens und kuͤnftige Beſſerung. Sie koͤnnte auch noch wohl die Opfer hinzuſetzen. Aber ſie wuͤrde doch auch gleich begreifen, daß die Opfer an ſich ſelbſt Gott nicht verſoͤhnen, ſondern daß ſie nur in ſo ferne fuͤr Mittel dazu gehalten werden koͤnnen, in wie ferne ſie ein Beweis der Reue des Suͤnders und ſeiner Entſchießung ſind, lieber etwas, das ihm angenehm und wehrt iſt, zu ent- behren, als ſich des goͤttlichen Unwillens uͤber ſich und ſeine Handlungen laͤnger bewußt zu ſeyn. Und ſo waͤre Reue

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/102>, abgerufen am 22.11.2024.