Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.Achte Unterredung, den 16ten März. Die Wunden Jhres Gewissens, so fieng ich diese Un- Sollten wohl Sünden, die in dieser Welt began- natür-
Achte Unterredung, den 16ten Maͤrz. Die Wunden Jhres Gewiſſens, ſo fieng ich dieſe Un- Sollten wohl Suͤnden, die in dieſer Welt began- natuͤr-
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Achte Unterredung, den 16ten Maͤrz.
Die Wunden Jhres Gewiſſens, ſo fieng ich dieſe Un-
terredung an, ſind tief und ſchmerzhaft. Sie
wuͤnſchen ſehr ernſtlich ſie gruͤndlich geheilt zu ſehen.
Laſſen Sie uns nun nach Mitteln forſchen, wodurch das
moͤglich iſt. Jch weiß, das Gefuͤhl Jhrer Beduͤrfniß
hat Sie ſchon geneigt gemacht, den Raht, den Jhnen
das Chriſtenthum in dieſer Abſicht giebt, anzunehmen.
Aber Sie muͤſſen ſich, ſelbſt in einer heilſamen Ent-
ſchließung, nicht uͤbereilen. Unterſuchen Sie erſt, ob
Jhnen die Vernunft zu rahten weiß. Kann ſie das, ſo
brauchen Sie keine Offenbahrung. Sehen Sie aber,
daß Sie von der Vernunft huͤlflos gelaſſen werden, ſo
koͤnnen Sie deſto mehr Vertrauen auf das einzige Mittel
der Begnadigung bey Gott ſetzen, welches Jhnen die
chriſtliche Religion anpreiſt.
Sollten wohl Suͤnden, die in dieſer Welt began-
gen werden, zumahl vorſetzliche, oft wiederhohlte, ge-
liebte und wegen ihrer Folgen ſchreckliche Suͤnden, in
der kuͤnftigen Welt beſtraft werden? Dieß war die erſte
Frage, die ich dem Grafen vorlegte. Wenn man die
Sache bloß vernuͤnftig anſaͤhe, antwortete er, ſo koͤnnte
es ſcheinen, daß die Unruhe des Gewiſſens und die natuͤr-
lichen Folgen der Suͤnden, ſchon genugſame Strafen
derſelben waͤren. Jch zeigte ihm hierauf, daß zwiſchen
dieſen Strafen der Suͤnde, und ihrer Groͤße, in ſo ferne
ſie Empoͤrung gegen Gott und Beleidigung ſeiner hoͤch-
ſten Majeſtaͤt waͤre, und dem Schaden, den ſie in dem
Reiche Gottes ſtiftete, kein Verhaͤltniß waͤre: und eine
goͤttliche Gerechtigkeit muͤßte doch Verbrechen und Stra-
fen genau gegen einander abwaͤgen. Viele Suͤnder,
ſetzte ich hinzu, gehen auch aus der Welt, ohne auch
nur von ihrem Gewiſſen beſtraft werden zu ſeyn, ohne
natuͤr-
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