Müllner, Adolph: Der Kaliber. Leipzig, 1829.Reize auf mich gemacht hatte, war verwischt worden durch den Antheil, welchen ihre rührende Leidenschaft für einen Anderen meinem Herzen einflößte, und durch das sittliche Wohlgefallen an den Reizen ihres Geistes und ihres Gemüths. Hier war also nichts zu vertrauen; und was hätte Ferdinand seinerseits in den Busen des neuen Freundes ausschütten sollen? Der Schmerz über Heinrichs gewaltsamen Tod, der oft mitten im Kreise der heiteren Unterhaltung und des geselligen Vergnügens das lebhafte Feuer seiner Augen mit einem melancholischen Flor bedeckte, und den nur Marianens stiller Zauber besänftigen zu können schien, forderte stumm von jedem, der ihn kannte, die sorgfältigste Schonung, und konnte nicht füglich in seiner Gegenwart, geschweige denn mit ihm selbst, besprochen werden. Seine Leidenschaft für Marianen, offenbar eine mächtige sinnliche Reize auf mich gemacht hatte, war verwischt worden durch den Antheil, welchen ihre rührende Leidenschaft für einen Anderen meinem Herzen einflößte, und durch das sittliche Wohlgefallen an den Reizen ihres Geistes und ihres Gemüths. Hier war also nichts zu vertrauen; und was hätte Ferdinand seinerseits in den Busen des neuen Freundes ausschütten sollen? Der Schmerz über Heinrichs gewaltsamen Tod, der oft mitten im Kreise der heiteren Unterhaltung und des geselligen Vergnügens das lebhafte Feuer seiner Augen mit einem melancholischen Flor bedeckte, und den nur Marianens stiller Zauber besänftigen zu können schien, forderte stumm von jedem, der ihn kannte, die sorgfältigste Schonung, und konnte nicht füglich in seiner Gegenwart, geschweige denn mit ihm selbst, besprochen werden. Seine Leidenschaft für Marianen, offenbar eine mächtige sinnliche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0096" n="76"/> Reize auf mich gemacht hatte, war verwischt worden durch den Antheil, welchen ihre rührende Leidenschaft für einen Anderen meinem Herzen einflößte, und durch das sittliche Wohlgefallen an den Reizen ihres Geistes und ihres Gemüths. Hier war also nichts zu vertrauen; und was hätte Ferdinand <hi rendition="#g">seinerseits</hi> in den Busen des neuen Freundes ausschütten sollen? Der Schmerz über Heinrichs gewaltsamen Tod, der oft mitten im Kreise der heiteren Unterhaltung und des geselligen Vergnügens das lebhafte Feuer seiner Augen mit einem melancholischen Flor bedeckte, und den nur Marianens stiller Zauber besänftigen zu können schien, forderte stumm von jedem, der ihn kannte, die sorgfältigste Schonung, und konnte nicht füglich in seiner Gegenwart, geschweige denn mit ihm selbst, <hi rendition="#g">besprochen</hi> werden. Seine Leidenschaft für Marianen, offenbar eine mächtige sinnliche </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [76/0096]
Reize auf mich gemacht hatte, war verwischt worden durch den Antheil, welchen ihre rührende Leidenschaft für einen Anderen meinem Herzen einflößte, und durch das sittliche Wohlgefallen an den Reizen ihres Geistes und ihres Gemüths. Hier war also nichts zu vertrauen; und was hätte Ferdinand seinerseits in den Busen des neuen Freundes ausschütten sollen? Der Schmerz über Heinrichs gewaltsamen Tod, der oft mitten im Kreise der heiteren Unterhaltung und des geselligen Vergnügens das lebhafte Feuer seiner Augen mit einem melancholischen Flor bedeckte, und den nur Marianens stiller Zauber besänftigen zu können schien, forderte stumm von jedem, der ihn kannte, die sorgfältigste Schonung, und konnte nicht füglich in seiner Gegenwart, geschweige denn mit ihm selbst, besprochen werden. Seine Leidenschaft für Marianen, offenbar eine mächtige sinnliche
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Zitationshilfe: | Müllner, Adolph: Der Kaliber. Leipzig, 1829, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muellner_kaliber_1829/96>, abgerufen am 16.02.2025. |