Müllner, Adolph: Der Kaliber. Leipzig, 1829.Er sah mich einige Augenblicke starr an. "Es war die höchste Zeit; zwei Tage später, und die Heilige war befleckt von einem Mörder." "Unglückliches Mädchen!" rief ich aus, und schritt rasch nach der Thür; mir war, als ob ich zu ihr eilen müßte, ihren unermeßlichen Schmerz zu theilen. Mein Amt mahnte mich daran, daß hier Anderes zu thun sei. Doch wie ich den Blick wieder auf Albus wandte, empörte mich seine Ruhe auf das Heftigste. "Rasender!" rief ich: "was haben Sie gethan? Wie ertrug Mariane diesen Schreck? Lebt sie? wird sie leben?" "Sie wird; denn stark sind die Reinen." "Glaubt sie Ihr Verbrechen?" "Kann sie daran zweifeln? Sie wollt' es, ja; sie sank vor mir auf die Kniee um ein Er sah mich einige Augenblicke starr an. „Es war die höchste Zeit; zwei Tage später, und die Heilige war befleckt von einem Mörder.“ „Unglückliches Mädchen!“ rief ich aus, und schritt rasch nach der Thür; mir war, als ob ich zu ihr eilen müßte, ihren unermeßlichen Schmerz zu theilen. Mein Amt mahnte mich daran, daß hier Anderes zu thun sei. Doch wie ich den Blick wieder auf Albus wandte, empörte mich seine Ruhe auf das Heftigste. „Rasender!“ rief ich: „was haben Sie gethan? Wie ertrug Mariane diesen Schreck? Lebt sie? wird sie leben?“ „Sie wird; denn stark sind die Reinen.“ „Glaubt sie Ihr Verbrechen?“ „Kann sie daran zweifeln? Sie wollt’ es, ja; sie sank vor mir auf die Kniee um ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0132" n="112"/> <p>Er sah mich einige Augenblicke starr an. „Es war die höchste Zeit; zwei Tage später, und die Heilige war befleckt von einem Mörder.“</p> <p>„Unglückliches Mädchen!“ rief ich aus, und schritt rasch nach der Thür; mir war, als ob ich zu <hi rendition="#g">ihr</hi> eilen müßte, ihren unermeßlichen Schmerz zu theilen. Mein Amt mahnte mich daran, daß hier Anderes zu thun sei. Doch wie ich den Blick wieder auf Albus wandte, empörte mich seine Ruhe auf das Heftigste.</p> <p>„Rasender!“ rief ich: „was haben Sie gethan? Wie ertrug Mariane diesen Schreck? <hi rendition="#g">Lebt</hi> sie? <hi rendition="#g">wird</hi> sie leben?“</p> <p>„Sie wird; denn stark sind die Reinen.“</p> <p>„<hi rendition="#g">Glaubt</hi> sie Ihr Verbrechen?“</p> <p>„Kann sie daran zweifeln? Sie wollt’ es, ja; sie sank vor mir auf die Kniee um ein </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [112/0132]
Er sah mich einige Augenblicke starr an. „Es war die höchste Zeit; zwei Tage später, und die Heilige war befleckt von einem Mörder.“
„Unglückliches Mädchen!“ rief ich aus, und schritt rasch nach der Thür; mir war, als ob ich zu ihr eilen müßte, ihren unermeßlichen Schmerz zu theilen. Mein Amt mahnte mich daran, daß hier Anderes zu thun sei. Doch wie ich den Blick wieder auf Albus wandte, empörte mich seine Ruhe auf das Heftigste.
„Rasender!“ rief ich: „was haben Sie gethan? Wie ertrug Mariane diesen Schreck? Lebt sie? wird sie leben?“
„Sie wird; denn stark sind die Reinen.“
„Glaubt sie Ihr Verbrechen?“
„Kann sie daran zweifeln? Sie wollt’ es, ja; sie sank vor mir auf die Kniee um ein
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Zitationshilfe: | Müllner, Adolph: Der Kaliber. Leipzig, 1829, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muellner_kaliber_1829/132>, abgerufen am 08.07.2024. |