Müller, Wilhelm: Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Dessau, 1821.Rosenwürmchen. Kam der Sommer hergezogen, Rosenblüthchen war dabei, Bin ich hinterdrein geflogen, Wußte nicht, ob's schicklich sei. Rosenblüthchen, woll' mir geben Nur ein Blättchen, drauf zu leben! Sprach es: Klein ist dein Bewerben, Doch gar schnell mein Duft verweht. Sprach ich: Mit dir will ich sterben, Wenn die Sommerzeit vergeht. Philosophische Trösterin. Schwester, trockne deine Zähren!
Hin ist hin, und todt ist todt. Nichts bei uns kann ewig währen, Heute bleich, was gestern roth. Eins auch wolle noch bedenken: Unglück kann zum Glück sich lenken, Einen Bessern kannst du frein. Reiche Wittwen sterben selten: Darum, Schwester, gieb dich drein, Denn es ist das Loos der Welten. Roſenwuͤrmchen. Kam der Sommer hergezogen, Roſenbluͤthchen war dabei, Bin ich hinterdrein geflogen, Wußte nicht, ob's ſchicklich ſei. Roſenbluͤthchen, woll' mir geben Nur ein Blaͤttchen, drauf zu leben! Sprach es: Klein iſt dein Bewerben, Doch gar ſchnell mein Duft verweht. Sprach ich: Mit dir will ich ſterben, Wenn die Sommerzeit vergeht. Philoſophiſche Troͤſterin. Schweſter, trockne deine Zaͤhren!
Hin iſt hin, und todt iſt todt. Nichts bei uns kann ewig waͤhren, Heute bleich, was geſtern roth. Eins auch wolle noch bedenken: Ungluͤck kann zum Gluͤck ſich lenken, Einen Beſſern kannſt du frein. Reiche Wittwen ſterben ſelten: Darum, Schweſter, gieb dich drein, Denn es iſt das Loos der Welten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0171" n="159"/> <p rendition="#c"> <hi rendition="#g">Roſenwuͤrmchen.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <l>Kam der Sommer hergezogen,</l><lb/> <l>Roſenbluͤthchen war dabei,</l><lb/> <l>Bin ich hinterdrein geflogen,</l><lb/> <l>Wußte nicht, ob's ſchicklich ſei.</l><lb/> <l>Roſenbluͤthchen, woll' mir geben</l><lb/> <l>Nur ein Blaͤttchen, drauf zu leben!</l><lb/> <l>Sprach es: Klein iſt dein Bewerben,</l><lb/> <l>Doch gar ſchnell mein Duft verweht.</l><lb/> <l>Sprach ich: Mit dir will ich ſterben,</l><lb/> <l><hi rendition="#g">Wenn die Sommerzeit vergeht</hi>.</l><lb/> </lg> <p rendition="#c"> <hi rendition="#g">Philoſophiſche Troͤſterin.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <l>Schweſter, trockne deine Zaͤhren!</l><lb/> <l>Hin iſt hin, und todt iſt todt.</l><lb/> <l>Nichts bei uns kann ewig waͤhren,</l><lb/> <l>Heute bleich, was geſtern roth.</l><lb/> <l>Eins auch wolle noch bedenken:</l><lb/> <l>Ungluͤck kann zum Gluͤck ſich lenken,</l><lb/> <l>Einen Beſſern kannſt du frein.</l><lb/> <l>Reiche Wittwen ſterben ſelten:</l><lb/> <l>Darum, Schweſter, gieb dich drein,</l><lb/> <l><hi rendition="#g">Denn es iſt das Loos der Welten</hi>.</l><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [159/0171]
Roſenwuͤrmchen.
Kam der Sommer hergezogen,
Roſenbluͤthchen war dabei,
Bin ich hinterdrein geflogen,
Wußte nicht, ob's ſchicklich ſei.
Roſenbluͤthchen, woll' mir geben
Nur ein Blaͤttchen, drauf zu leben!
Sprach es: Klein iſt dein Bewerben,
Doch gar ſchnell mein Duft verweht.
Sprach ich: Mit dir will ich ſterben,
Wenn die Sommerzeit vergeht.
Philoſophiſche Troͤſterin.
Schweſter, trockne deine Zaͤhren!
Hin iſt hin, und todt iſt todt.
Nichts bei uns kann ewig waͤhren,
Heute bleich, was geſtern roth.
Eins auch wolle noch bedenken:
Ungluͤck kann zum Gluͤck ſich lenken,
Einen Beſſern kannſt du frein.
Reiche Wittwen ſterben ſelten:
Darum, Schweſter, gieb dich drein,
Denn es iſt das Loos der Welten.
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