Müller, Wilhelm: Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Dessau, 1821.Wenn das Mädel singen könnte, Wär's gezogen mit hinaus, Doch nun hat's 'ne heis're Kehle, Mußt' es lassen drum zu Haus. Ei, da gab es nasse Augen, 'S war mir selbst nicht einerlei: Sprach itzt: 'S ist ja nicht für ewig, Schönstes Nannerl, laß mich frei! Und ich schlüpft' aus ihren Armen, Aus der Pforte, aus dem Haus, Konnt' nicht wieder rückwärts schauen, Bis ich war zur Stadt hinaus. Da hab' ich dies Lied gesungen, Hab' die Fiedel zu gespielt, Bis ich in den Morgenlüften Auf' der Brust mich leicht gefühlt. Manches Vöglein hat's vernommen:
Flög' nur eins an Liebchens Ohr, Säng' ihr, wenn sie weinen wollte, Dieses frische Liedel vor! Wenn das Maͤdel ſingen koͤnnte, Waͤr's gezogen mit hinaus, Doch nun hat's 'ne heiſ're Kehle, Mußt' es laſſen drum zu Haus. Ei, da gab es naſſe Augen, 'S war mir ſelbſt nicht einerlei: Sprach itzt: 'S iſt ja nicht fuͤr ewig, Schoͤnſtes Nannerl, laß mich frei! Und ich ſchluͤpft' aus ihren Armen, Aus der Pforte, aus dem Haus, Konnt' nicht wieder ruͤckwaͤrts ſchauen, Bis ich war zur Stadt hinaus. Da hab' ich dies Lied geſungen, Hab' die Fiedel zu geſpielt, Bis ich in den Morgenluͤften Auf' der Bruſt mich leicht gefuͤhlt. Manches Voͤglein hat's vernommen:
Floͤg' nur eins an Liebchens Ohr, Saͤng' ihr, wenn ſie weinen wollte, Dieſes friſche Liedel vor! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0107" n="95"/> <lg n="5"> <l>Wenn das Maͤdel ſingen koͤnnte,</l><lb/> <l>Waͤr's gezogen mit hinaus,</l><lb/> <l>Doch nun hat's 'ne heiſ're Kehle,</l><lb/> <l>Mußt' es laſſen drum zu Haus.</l><lb/> </lg> <lg n="6"> <l>Ei, da gab es naſſe Augen,</l><lb/> <l>'S war mir ſelbſt nicht einerlei:</l><lb/> <l>Sprach itzt: 'S iſt ja nicht fuͤr ewig,</l><lb/> <l>Schoͤnſtes Nannerl, laß mich frei!</l><lb/> </lg> <lg n="7"> <l>Und ich ſchluͤpft' aus ihren Armen,</l><lb/> <l>Aus der Pforte, aus dem Haus,</l><lb/> <l>Konnt' nicht wieder ruͤckwaͤrts ſchauen,</l><lb/> <l>Bis ich war zur Stadt hinaus.</l><lb/> </lg> <lg n="8"> <l>Da hab' ich dies Lied geſungen,</l><lb/> <l>Hab' die Fiedel zu geſpielt,</l><lb/> <l>Bis ich in den Morgenluͤften</l><lb/> <l>Auf' der Bruſt mich leicht gefuͤhlt.</l><lb/> </lg> <lg n="9"> <l>Manches Voͤglein hat's vernommen:</l><lb/> <l>Floͤg' nur eins an Liebchens Ohr,</l><lb/> <l>Saͤng' ihr, wenn ſie weinen wollte,</l><lb/> <l>Dieſes friſche Liedel vor!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [95/0107]
Wenn das Maͤdel ſingen koͤnnte,
Waͤr's gezogen mit hinaus,
Doch nun hat's 'ne heiſ're Kehle,
Mußt' es laſſen drum zu Haus.
Ei, da gab es naſſe Augen,
'S war mir ſelbſt nicht einerlei:
Sprach itzt: 'S iſt ja nicht fuͤr ewig,
Schoͤnſtes Nannerl, laß mich frei!
Und ich ſchluͤpft' aus ihren Armen,
Aus der Pforte, aus dem Haus,
Konnt' nicht wieder ruͤckwaͤrts ſchauen,
Bis ich war zur Stadt hinaus.
Da hab' ich dies Lied geſungen,
Hab' die Fiedel zu geſpielt,
Bis ich in den Morgenluͤften
Auf' der Bruſt mich leicht gefuͤhlt.
Manches Voͤglein hat's vernommen:
Floͤg' nur eins an Liebchens Ohr,
Saͤng' ihr, wenn ſie weinen wollte,
Dieſes friſche Liedel vor!
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Zitationshilfe: | Müller, Wilhelm: Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Dessau, 1821, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_waldhornist_1821/107>, abgerufen am 27.07.2024. |