Gegen nichts hat sich der Brittische Geist so gesträubt, wie gegen die Einführung irgend eires fremden, besonders des Römischen, Privatrechtes. Jedermann erinnert sich aus dem Beispiele des Oberrichters Lord Mansfield, daß diesem großen, unbescholtenen Manne seine Vorliebe für Cita- tionen des Römischen Rechtes nie verziehen wor- den ist. --
In einem organischen Staate werden noth- wendig beide Geschlechter von Gesetzen neben ein- ander Statt finden und vereinigt, ich möchte sagen vermählt, werden müssen: Ackerbau, Grundeigenthum und Krieg werden unaufhörlich den Lehnsverhältnissen das Wort reden; Indu- strie, Handel, das bewegliche Vermögen und der Friede den strengen Eigenthumsverhältnissen.
Einerseits freilich wird der Handel und die Industrie durch jeden möglichen Lehns-Nexus, durch die wahre Adelsverfassung, durch Majo- rate, Fideicommisse und Unveräußerlichkeitsge- setze scheinbar gehemmt; die Nation scheint durch solche Beschränkungen an ihrem reinen Einkom- men viel zu verlieren. Da nun aber in der feu- dalistischen Verfassung der wahre, und in unsern Continental-Staaten, leider! viel zu sehr überse- hene, Gedanke zum Grunde liegt, daß der Staat ohne Krieg, d. h. ohne ein beständiges Reagiren
Gegen nichts hat ſich der Brittiſche Geiſt ſo geſtraͤubt, wie gegen die Einfuͤhrung irgend eires fremden, beſonders des Roͤmiſchen, Privatrechtes. Jedermann erinnert ſich aus dem Beiſpiele des Oberrichters Lord Mansfield, daß dieſem großen, unbeſcholtenen Manne ſeine Vorliebe fuͤr Cita- tionen des Roͤmiſchen Rechtes nie verziehen wor- den iſt. —
In einem organiſchen Staate werden noth- wendig beide Geſchlechter von Geſetzen neben ein- ander Statt finden und vereinigt, ich moͤchte ſagen vermaͤhlt, werden muͤſſen: Ackerbau, Grundeigenthum und Krieg werden unaufhoͤrlich den Lehnsverhaͤltniſſen das Wort reden; Indu- ſtrie, Handel, das bewegliche Vermoͤgen und der Friede den ſtrengen Eigenthumsverhaͤltniſſen.
Einerſeits freilich wird der Handel und die Induſtrie durch jeden moͤglichen Lehns-Nexus, durch die wahre Adelsverfaſſung, durch Majo- rate, Fideicommiſſe und Unveraͤußerlichkeitsge- ſetze ſcheinbar gehemmt; die Nation ſcheint durch ſolche Beſchraͤnkungen an ihrem reinen Einkom- men viel zu verlieren. Da nun aber in der feu- daliſtiſchen Verfaſſung der wahre, und in unſern Continental-Staaten, leider! viel zu ſehr uͤberſe- hene, Gedanke zum Grunde liegt, daß der Staat ohne Krieg, d. h. ohne ein beſtaͤndiges Reagiren
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Gegen nichts hat ſich der Brittiſche Geiſt ſo
geſtraͤubt, wie gegen die Einfuͤhrung irgend eires
fremden, beſonders des Roͤmiſchen, Privatrechtes.
Jedermann erinnert ſich aus dem Beiſpiele des
Oberrichters Lord Mansfield, daß dieſem großen,
unbeſcholtenen Manne ſeine Vorliebe fuͤr Cita-
tionen des Roͤmiſchen Rechtes nie verziehen wor-
den iſt. —
In einem organiſchen Staate werden noth-
wendig beide Geſchlechter von Geſetzen neben ein-
ander Statt finden und vereinigt, ich moͤchte
ſagen vermaͤhlt, werden muͤſſen: Ackerbau,
Grundeigenthum und Krieg werden unaufhoͤrlich
den Lehnsverhaͤltniſſen das Wort reden; Indu-
ſtrie, Handel, das bewegliche Vermoͤgen und der
Friede den ſtrengen Eigenthumsverhaͤltniſſen.
Einerſeits freilich wird der Handel und die
Induſtrie durch jeden moͤglichen Lehns-Nexus,
durch die wahre Adelsverfaſſung, durch Majo-
rate, Fideicommiſſe und Unveraͤußerlichkeitsge-
ſetze ſcheinbar gehemmt; die Nation ſcheint durch
ſolche Beſchraͤnkungen an ihrem reinen Einkom-
men viel zu verlieren. Da nun aber in der feu-
daliſtiſchen Verfaſſung der wahre, und in unſern
Continental-Staaten, leider! viel zu ſehr uͤberſe-
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ohne Krieg, d. h. ohne ein beſtaͤndiges Reagiren
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/98>, abgerufen am 27.11.2024.
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