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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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und Staatszweck zu erheben, und endlich jenem
großen arithmetischen Auseinandersetzungs- und
Isolirungs-Systeme des bürgerlichen Interesse
entgegensetzen mögen -- werden von den Unwis-
senden mit dem gemeinschaftlichen Nahmen Feu-
dalismus
bezeichnet: --

Es ist jetzt noch nicht darauf abgesehen, was
weiter unten geschehen wird, allen staatswirth-
schaftlichen Theorieen sammt und sonders, wegen
ihrer Einseitigkeit, den Krieg zu erklären. Indeß
Aufhebung aller persönlichen Dienstverhältnisse,
Verwandlung derselben in Geldabgaben, Dismem-
brationen u. s. w. --: das sind die populären
Maßregeln des Jahrhunderts; sie sind auch nicht
unrathsam, wenn niemand mehr zu dienen, noch
zu herrschen versteht.

"Die Gesetze der Barbaren," sagt Montes-
quieu, "waren durchaus persönliche." -- Die
Verhältnisse unter den Personen waren das Erste
und Wichtigste in den Augen des frischen jugend-
lichen Geschlechtes, unter dessen Bothmäßigkeit
das zu todtem Besitz erstarrte Weltreich der Rö-
mer fiel: den gesammten Besitz des Grundeigen-
thumes sahen die Völkerstämme vielmehr für ein
Lehn, als für ein wirkliches, absolutes Eigen-
thum
an. Eine sehr nahe Verwandtschaft zwi-
schen den Gesetzen der Israeliten und der Völker-

und Staatszweck zu erheben, und endlich jenem
großen arithmetiſchen Auseinanderſetzungs- und
Iſolirungs-Syſteme des buͤrgerlichen Intereſſe
entgegenſetzen moͤgen — werden von den Unwiſ-
ſenden mit dem gemeinſchaftlichen Nahmen Feu-
dalismus
bezeichnet: —

Es iſt jetzt noch nicht darauf abgeſehen, was
weiter unten geſchehen wird, allen ſtaatswirth-
ſchaftlichen Theorieen ſammt und ſonders, wegen
ihrer Einſeitigkeit, den Krieg zu erklaͤren. Indeß
Aufhebung aller perſoͤnlichen Dienſtverhaͤltniſſe,
Verwandlung derſelben in Geldabgaben, Dismem-
brationen u. ſ. w. —: das ſind die populaͤren
Maßregeln des Jahrhunderts; ſie ſind auch nicht
unrathſam, wenn niemand mehr zu dienen, noch
zu herrſchen verſteht.

„Die Geſetze der Barbaren,“ ſagt Montes-
quieu, „waren durchaus perſoͤnliche.“ — Die
Verhaͤltniſſe unter den Perſonen waren das Erſte
und Wichtigſte in den Augen des friſchen jugend-
lichen Geſchlechtes, unter deſſen Bothmaͤßigkeit
das zu todtem Beſitz erſtarrte Weltreich der Roͤ-
mer fiel: den geſammten Beſitz des Grundeigen-
thumes ſahen die Voͤlkerſtaͤmme vielmehr fuͤr ein
Lehn, als fuͤr ein wirkliches, abſolutes Eigen-
thum
an. Eine ſehr nahe Verwandtſchaft zwi-
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[78/0086] und Staatszweck zu erheben, und endlich jenem großen arithmetiſchen Auseinanderſetzungs- und Iſolirungs-Syſteme des buͤrgerlichen Intereſſe entgegenſetzen moͤgen — werden von den Unwiſ- ſenden mit dem gemeinſchaftlichen Nahmen Feu- dalismus bezeichnet: — Es iſt jetzt noch nicht darauf abgeſehen, was weiter unten geſchehen wird, allen ſtaatswirth- ſchaftlichen Theorieen ſammt und ſonders, wegen ihrer Einſeitigkeit, den Krieg zu erklaͤren. Indeß Aufhebung aller perſoͤnlichen Dienſtverhaͤltniſſe, Verwandlung derſelben in Geldabgaben, Dismem- brationen u. ſ. w. —: das ſind die populaͤren Maßregeln des Jahrhunderts; ſie ſind auch nicht unrathſam, wenn niemand mehr zu dienen, noch zu herrſchen verſteht. „Die Geſetze der Barbaren,“ ſagt Montes- quieu, „waren durchaus perſoͤnliche.“ — Die Verhaͤltniſſe unter den Perſonen waren das Erſte und Wichtigſte in den Augen des friſchen jugend- lichen Geſchlechtes, unter deſſen Bothmaͤßigkeit das zu todtem Beſitz erſtarrte Weltreich der Roͤ- mer fiel: den geſammten Beſitz des Grundeigen- thumes ſahen die Voͤlkerſtaͤmme vielmehr fuͤr ein Lehn, als fuͤr ein wirkliches, abſolutes Eigen- thum an. Eine ſehr nahe Verwandtſchaft zwi- ſchen den Geſetzen der Iſraeliten und der Voͤlker-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/86>, abgerufen am 23.11.2024.