alle Religion aus unsern Staaten verdrängen und die Bande des Blutes zerreißen helfen.
Diese nehmlich, oder die Familien-Verhält- nisse, sind die einzigen dauernden und unverletzli- chen: in ihnen beruhet die Fortdauer des mensch- lichen Geschlechtes; demnach wird auf's natür- lichste und nothwendigste auch die Fortdauer der Bedürfnisse des Geschlechtes, aller Sachen und Besitzthümer, von ihnen abhängig, oder nach ih- rem Gesetz überhaupt erst möglich gemacht. Sie bilden den Grundstoff, ein schönes reines unauf- lösliches Gewebe, und die übrigen bunten An- gelegenheiten des Lebens gleichen einer Stickerei, die erst später hineingewirkt worden: dahingegen erscheinen bei uns die Bande der Natur und des Gemüths wie Fäden, die in den Besitz, der jetzt den Grundstoff der Staaten bildet, hineingewirkt sind.
Ich will nicht läugnen, daß gegen die Ex- cesse des Kirchen- und Lehnsrechtes, die in gewis- sen Perioden des Mittelalters die Person und den unsichtbaren Theil der politischen Verbin- dung allzu sehr herausgehoben haben mögen, das Römische Recht, welches, von Amalfi und Bologna aus, von neuem in Europa eindrang und dem erwachenden Geiste des Handels und der Industrie zu Hülfe kam, zu einem heilsamen
alle Religion aus unſern Staaten verdraͤngen und die Bande des Blutes zerreißen helfen.
Dieſe nehmlich, oder die Familien-Verhaͤlt- niſſe, ſind die einzigen dauernden und unverletzli- chen: in ihnen beruhet die Fortdauer des menſch- lichen Geſchlechtes; demnach wird auf’s natuͤr- lichſte und nothwendigſte auch die Fortdauer der Beduͤrfniſſe des Geſchlechtes, aller Sachen und Beſitzthuͤmer, von ihnen abhaͤngig, oder nach ih- rem Geſetz uͤberhaupt erſt moͤglich gemacht. Sie bilden den Grundſtoff, ein ſchoͤnes reines unauf- loͤsliches Gewebe, und die uͤbrigen bunten An- gelegenheiten des Lebens gleichen einer Stickerei, die erſt ſpaͤter hineingewirkt worden: dahingegen erſcheinen bei uns die Bande der Natur und des Gemuͤths wie Faͤden, die in den Beſitz, der jetzt den Grundſtoff der Staaten bildet, hineingewirkt ſind.
Ich will nicht laͤugnen, daß gegen die Ex- ceſſe des Kirchen- und Lehnsrechtes, die in gewiſ- ſen Perioden des Mittelalters die Perſon und den unſichtbaren Theil der politiſchen Verbin- dung allzu ſehr herausgehoben haben moͤgen, das Roͤmiſche Recht, welches, von Amalfi und Bologna aus, von neuem in Europa eindrang und dem erwachenden Geiſte des Handels und der Induſtrie zu Huͤlfe kam, zu einem heilſamen
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alle Religion aus unſern Staaten verdraͤngen
und die Bande des Blutes zerreißen helfen.
Dieſe nehmlich, oder die Familien-Verhaͤlt-
niſſe, ſind die einzigen dauernden und unverletzli-
chen: in ihnen beruhet die Fortdauer des menſch-
lichen Geſchlechtes; demnach wird auf’s natuͤr-
lichſte und nothwendigſte auch die Fortdauer der
Beduͤrfniſſe des Geſchlechtes, aller Sachen und
Beſitzthuͤmer, von ihnen abhaͤngig, oder nach ih-
rem Geſetz uͤberhaupt erſt moͤglich gemacht. Sie
bilden den Grundſtoff, ein ſchoͤnes reines unauf-
loͤsliches Gewebe, und die uͤbrigen bunten An-
gelegenheiten des Lebens gleichen einer Stickerei,
die erſt ſpaͤter hineingewirkt worden: dahingegen
erſcheinen bei uns die Bande der Natur und des
Gemuͤths wie Faͤden, die in den Beſitz, der jetzt
den Grundſtoff der Staaten bildet, hineingewirkt
ſind.
Ich will nicht laͤugnen, daß gegen die Ex-
ceſſe des Kirchen- und Lehnsrechtes, die in gewiſ-
ſen Perioden des Mittelalters die Perſon und
den unſichtbaren Theil der politiſchen Verbin-
dung allzu ſehr herausgehoben haben moͤgen,
das Roͤmiſche Recht, welches, von Amalfi und
Bologna aus, von neuem in Europa eindrang
und dem erwachenden Geiſte des Handels und
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/63>, abgerufen am 23.11.2024.
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