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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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thum, gemeinschaftliches, irdisches Umsichgreifen
der neben einander ruhenden, augenblicklichen
Kraft. Das Band der Israeliten war der Zu-
sammenhang des Blutes, also ein unsichtbares,
das sich leicht auf die Idee eines einzigen, alle
Geschlechter der großen Familie beherrschenden
und verbindenden, National-Gottes zurückführen
ließ. Israel konnte leicht eines künstlichen, gewalt-
vertheilenden Staatsrechtes entbehren; denn der
Suverän lebte in dem Herzen alles Volkes,
und die Familien-Verfassung war an sich selbst
Staatsrechtes genug. Dagegen ward Rom bald
zu künstlicher Vertheilung der Gewaltszweige ge-
nöthigt, zumal, da die Art von National-Gott-
heit, welche sich bald in Aller Herzen befestigte,
nehmlich der Gedanke: Römische Freiheit,
in wie heldenmüthigen Gesinnungen er sich auch
offenbarte, nicht, wie der Jehova der Juden,
die künstlichen Machtanstalten gleichgültig ansehen
durfte. Der Gott, welcher die Kinder Israels
durch die Wüsten geführt hatte, war ein sehr
sichtbarer, deutlicher, unverkennbarer Gott; aber
der Gedanke "Römische Freiheit" blieb immer
der Auslegung und der Willkühr der Menschen
unterworfen; er mußte in handgreiflichen Charak-
teren, in bestimmten staatsrechtlichen Corpora-
tionen, Beamten u. s. w., in Senaten, Comi-

thum, gemeinſchaftliches, irdiſches Umſichgreifen
der neben einander ruhenden, augenblicklichen
Kraft. Das Band der Iſraeliten war der Zu-
ſammenhang des Blutes, alſo ein unſichtbares,
das ſich leicht auf die Idee eines einzigen, alle
Geſchlechter der großen Familie beherrſchenden
und verbindenden, National-Gottes zuruͤckfuͤhren
ließ. Iſrael konnte leicht eines kuͤnſtlichen, gewalt-
vertheilenden Staatsrechtes entbehren; denn der
Suveraͤn lebte in dem Herzen alles Volkes,
und die Familien-Verfaſſung war an ſich ſelbſt
Staatsrechtes genug. Dagegen ward Rom bald
zu kuͤnſtlicher Vertheilung der Gewaltszweige ge-
noͤthigt, zumal, da die Art von National-Gott-
heit, welche ſich bald in Aller Herzen befeſtigte,
nehmlich der Gedanke: Roͤmiſche Freiheit,
in wie heldenmuͤthigen Geſinnungen er ſich auch
offenbarte, nicht, wie der Jehova der Juden,
die kuͤnſtlichen Machtanſtalten gleichguͤltig anſehen
durfte. Der Gott, welcher die Kinder Iſraels
durch die Wuͤſten gefuͤhrt hatte, war ein ſehr
ſichtbarer, deutlicher, unverkennbarer Gott; aber
der Gedanke „Roͤmiſche Freiheit” blieb immer
der Auslegung und der Willkuͤhr der Menſchen
unterworfen; er mußte in handgreiflichen Charak-
teren, in beſtimmten ſtaatsrechtlichen Corpora-
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[53/0061] thum, gemeinſchaftliches, irdiſches Umſichgreifen der neben einander ruhenden, augenblicklichen Kraft. Das Band der Iſraeliten war der Zu- ſammenhang des Blutes, alſo ein unſichtbares, das ſich leicht auf die Idee eines einzigen, alle Geſchlechter der großen Familie beherrſchenden und verbindenden, National-Gottes zuruͤckfuͤhren ließ. Iſrael konnte leicht eines kuͤnſtlichen, gewalt- vertheilenden Staatsrechtes entbehren; denn der Suveraͤn lebte in dem Herzen alles Volkes, und die Familien-Verfaſſung war an ſich ſelbſt Staatsrechtes genug. Dagegen ward Rom bald zu kuͤnſtlicher Vertheilung der Gewaltszweige ge- noͤthigt, zumal, da die Art von National-Gott- heit, welche ſich bald in Aller Herzen befeſtigte, nehmlich der Gedanke: Roͤmiſche Freiheit, in wie heldenmuͤthigen Geſinnungen er ſich auch offenbarte, nicht, wie der Jehova der Juden, die kuͤnſtlichen Machtanſtalten gleichguͤltig anſehen durfte. Der Gott, welcher die Kinder Iſraels durch die Wuͤſten gefuͤhrt hatte, war ein ſehr ſichtbarer, deutlicher, unverkennbarer Gott; aber der Gedanke „Roͤmiſche Freiheit” blieb immer der Auslegung und der Willkuͤhr der Menſchen unterworfen; er mußte in handgreiflichen Charak- teren, in beſtimmten ſtaatsrechtlichen Corpora- tionen, Beamten u. ſ. w., in Senaten, Comi-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/61>, abgerufen am 23.11.2024.