Ableitung und die Besänftigung der Macht, so- wohl des Einzelnen als des Volkes; der gesetz- gebende Verstand, die Intelligenz, -- um einen unleidlichen Mode-Ausdruck unsrer Zeit zu brau- chen -- versucht, die alte heroische Tugend der Griechen, die dem Geiste der Freiheit zu einem so kräftigen Gegengewichte diente, zurückzuban- nen, herbeizurechnen und sie dem Leben verzärtel- ter Geschlechter mitzutheilen. Aus dieser alten he- roischen und lebendigen Tugend ist allgemach eine Art von stoischer Philosophie geworden, mit der sich das politische Leben wohl auf eine Weile verset- zen, aber nie eigentlich auf Jahrhunderte be- sänftigen läßt. Demnach sind diese berühmten Gesetzgebungen der Griechen nichts weiter, als Bündel klug ausgemittelter Reflexionen, geschöpft auf Reisen, aus der Beobachtung aller einzel- nen Griechischen Staaten, aus dem Umgange der Regierenden und Weisen, aus vielfältiger Erwägung der philosophischen und moralischen Systeme, sehr wichtig für die Geschichte, doch als Gesetzgebungen neben der Mosaischen durch- aus nicht werth, in Betracht zu kommen. --
Diese muß in der Geschichte der Rechts-Idee allezeit die erste Stelle einnehmen. Die Idee des politischen Ganzen muß aus ihr geschöpft werden, wenn man auch nachher von der Schön-
Ableitung und die Beſaͤnftigung der Macht, ſo- wohl des Einzelnen als des Volkes; der geſetz- gebende Verſtand, die Intelligenz, — um einen unleidlichen Mode-Ausdruck unſrer Zeit zu brau- chen — verſucht, die alte heroiſche Tugend der Griechen, die dem Geiſte der Freiheit zu einem ſo kraͤftigen Gegengewichte diente, zuruͤckzuban- nen, herbeizurechnen und ſie dem Leben verzaͤrtel- ter Geſchlechter mitzutheilen. Aus dieſer alten he- roiſchen und lebendigen Tugend iſt allgemach eine Art von ſtoiſcher Philoſophie geworden, mit der ſich das politiſche Leben wohl auf eine Weile verſet- zen, aber nie eigentlich auf Jahrhunderte be- ſaͤnftigen laͤßt. Demnach ſind dieſe beruͤhmten Geſetzgebungen der Griechen nichts weiter, als Buͤndel klug ausgemittelter Reflexionen, geſchoͤpft auf Reiſen, aus der Beobachtung aller einzel- nen Griechiſchen Staaten, aus dem Umgange der Regierenden und Weiſen, aus vielfaͤltiger Erwaͤgung der philoſophiſchen und moraliſchen Syſteme, ſehr wichtig fuͤr die Geſchichte, doch als Geſetzgebungen neben der Moſaiſchen durch- aus nicht werth, in Betracht zu kommen. —
Dieſe muß in der Geſchichte der Rechts-Idee allezeit die erſte Stelle einnehmen. Die Idee des politiſchen Ganzen muß aus ihr geſchoͤpft werden, wenn man auch nachher von der Schoͤn-
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Ableitung und die Beſaͤnftigung der Macht, ſo-
wohl des Einzelnen als des Volkes; der geſetz-
gebende Verſtand, die Intelligenz, — um einen
unleidlichen Mode-Ausdruck unſrer Zeit zu brau-
chen — verſucht, die alte heroiſche Tugend der
Griechen, die dem Geiſte der Freiheit zu einem
ſo kraͤftigen Gegengewichte diente, zuruͤckzuban-
nen, herbeizurechnen und ſie dem Leben verzaͤrtel-
ter Geſchlechter mitzutheilen. Aus dieſer alten he-
roiſchen und lebendigen Tugend iſt allgemach eine
Art von ſtoiſcher Philoſophie geworden, mit der ſich
das politiſche Leben wohl auf eine Weile verſet-
zen, aber nie eigentlich auf Jahrhunderte be-
ſaͤnftigen laͤßt. Demnach ſind dieſe beruͤhmten
Geſetzgebungen der Griechen nichts weiter, als
Buͤndel klug ausgemittelter Reflexionen, geſchoͤpft
auf Reiſen, aus der Beobachtung aller einzel-
nen Griechiſchen Staaten, aus dem Umgange
der Regierenden und Weiſen, aus vielfaͤltiger
Erwaͤgung der philoſophiſchen und moraliſchen
Syſteme, ſehr wichtig fuͤr die Geſchichte, doch
als Geſetzgebungen neben der Moſaiſchen durch-
aus nicht werth, in Betracht zu kommen. —
Dieſe muß in der Geſchichte der Rechts-Idee
allezeit die erſte Stelle einnehmen. Die Idee
des politiſchen Ganzen muß aus ihr geſchoͤpft
werden, wenn man auch nachher von der Schoͤn-
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/52>, abgerufen am 23.11.2024.
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