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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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und je mehr die alte politische Unschuld ver-
schwand, um so nothwendiger wurden Gesetzge-
ber, die aus Vernunft und Erfahrung neue For-
men vielmehr erfanden, als sie nach Art des
Moses prophetisch und gottbegeistert verkündig-
ten. --

Die Lehre von der Familie und vom Eigen-
thume, die nach Mosaischem Gesetz ein halbes
Jahrtausend bestehen konnte, weil der Mosaische
Staat auf etwas Anderem ruhte, als auf einem
künstlichen Mechanismus der Staatsgewalt, er-
lebte dagegen in den Griechischen Staaten tau-
sendfältige Veränderungen, je nachdem sie sich
hier und dort nach den Veränderungen in den
Staatsformen bequemen mußte. Der Gesetzge-
ber richtete sie ganz nach Maßgabe des staats-
rechtlichen Gebäudes ein, welches er auf vielfäl-
tigen Reisen, und in dem Umgange mit den er-
fahrensten Weisen und Staatsmännern, als das
bequemste und zweckmäßigste erkannt hatte. --

Die Aufgabe der Gesetzgebung ist: die höchste
Freiheit des Einzelnen bei der höchsten Macht
des Ganzen. Der Gesetzgeber, welcher eins von
den beiden Gliedern dieses Gegensatzes, das
Privat[gl]ück oder das Gemeinwohl, hervorhebt
und das andre darüber versäumt, wie ihn auch
die Umstände dazu nöthigen mögen, wird nie et-

Müllers Elemente. II. [3]

und je mehr die alte politiſche Unſchuld ver-
ſchwand, um ſo nothwendiger wurden Geſetzge-
ber, die aus Vernunft und Erfahrung neue For-
men vielmehr erfanden, als ſie nach Art des
Moſes prophetiſch und gottbegeiſtert verkuͤndig-
ten. —

Die Lehre von der Familie und vom Eigen-
thume, die nach Moſaiſchem Geſetz ein halbes
Jahrtauſend beſtehen konnte, weil der Moſaiſche
Staat auf etwas Anderem ruhte, als auf einem
kuͤnſtlichen Mechanismus der Staatsgewalt, er-
lebte dagegen in den Griechiſchen Staaten tau-
ſendfaͤltige Veraͤnderungen, je nachdem ſie ſich
hier und dort nach den Veraͤnderungen in den
Staatsformen bequemen mußte. Der Geſetzge-
ber richtete ſie ganz nach Maßgabe des ſtaats-
rechtlichen Gebaͤudes ein, welches er auf vielfaͤl-
tigen Reiſen, und in dem Umgange mit den er-
fahrenſten Weiſen und Staatsmaͤnnern, als das
bequemſte und zweckmaͤßigſte erkannt hatte. —

Die Aufgabe der Geſetzgebung iſt: die hoͤchſte
Freiheit des Einzelnen bei der hoͤchſten Macht
des Ganzen. Der Geſetzgeber, welcher eins von
den beiden Gliedern dieſes Gegenſatzes, das
Privat[gl]ück oder das Gemeinwohl, hervorhebt
und das andre daruͤber verſaͤumt, wie ihn auch
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Müllers Elemente. II. [3]
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[33/0041] und je mehr die alte politiſche Unſchuld ver- ſchwand, um ſo nothwendiger wurden Geſetzge- ber, die aus Vernunft und Erfahrung neue For- men vielmehr erfanden, als ſie nach Art des Moſes prophetiſch und gottbegeiſtert verkuͤndig- ten. — Die Lehre von der Familie und vom Eigen- thume, die nach Moſaiſchem Geſetz ein halbes Jahrtauſend beſtehen konnte, weil der Moſaiſche Staat auf etwas Anderem ruhte, als auf einem kuͤnſtlichen Mechanismus der Staatsgewalt, er- lebte dagegen in den Griechiſchen Staaten tau- ſendfaͤltige Veraͤnderungen, je nachdem ſie ſich hier und dort nach den Veraͤnderungen in den Staatsformen bequemen mußte. Der Geſetzge- ber richtete ſie ganz nach Maßgabe des ſtaats- rechtlichen Gebaͤudes ein, welches er auf vielfaͤl- tigen Reiſen, und in dem Umgange mit den er- fahrenſten Weiſen und Staatsmaͤnnern, als das bequemſte und zweckmaͤßigſte erkannt hatte. — Die Aufgabe der Geſetzgebung iſt: die hoͤchſte Freiheit des Einzelnen bei der hoͤchſten Macht des Ganzen. Der Geſetzgeber, welcher eins von den beiden Gliedern dieſes Gegenſatzes, das Privatglück oder das Gemeinwohl, hervorhebt und das andre daruͤber verſaͤumt, wie ihn auch die Umſtaͤnde dazu noͤthigen moͤgen, wird nie et- Müllers Elemente. II. [3]

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/41>, abgerufen am 23.11.2024.