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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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schmähen. Wir geben Gesetze, ohne Rücksicht
auf ein großes, allen Naturen gemeinschaftliches
Gesetz des Anziehens und Abstoßens, welches
am zweckmäßigsten Liebe genannt wird, und wel-
ches das Wesen der Religion ausmacht. --

Die Mehrheit unsrer Regierungen verschmä-
het nicht gerade die Religion an sich, sie läßt sie
vielleicht gar für eine nicht zu verachtende Ge-
hülfin bei der Regierung gelten; aber immer --
wie von den Frauen und Königinnen, auch wohl
von den Schriftstellern gesagt wird -- unter
der Bedingung, daß sie sich in die eigentliche
Politik nie mische. Solche, neben dem Staate
her laufende, Religion mag dazu dienen, hier und
dort ein Capital-Verbrechen zu verhüten, sie
mag polizeilich mitwirken, daß manches böse
Gelüst der Bürger im Zaum gehalten wird: in-
deß hat sie nichts gemein mit der Religion, in
deren Nahmen echte Gesetzgeber ihr ganzes Werk
verrichteten. Es ist völlig in der Ordnung, daß
ein überkluges Geschlecht, welches nichts Klare-
res kennt, als seine Aufklärung, nichts Witzige-
res als seinen eigenen Witz, nichts Erhabneres
als die marktschreierische Größe seiner Helden --
nun auch alle Erleuchtung, alle Größe, allen
Witz der Vorzeit nach dem eigenen Maßstabe
beurtheilt. "Moses," heißt es da, "giebt vor,

ſchmaͤhen. Wir geben Geſetze, ohne Ruͤckſicht
auf ein großes, allen Naturen gemeinſchaftliches
Geſetz des Anziehens und Abſtoßens, welches
am zweckmaͤßigſten Liebe genannt wird, und wel-
ches das Weſen der Religion ausmacht. —

Die Mehrheit unſrer Regierungen verſchmaͤ-
het nicht gerade die Religion an ſich, ſie laͤßt ſie
vielleicht gar fuͤr eine nicht zu verachtende Ge-
huͤlfin bei der Regierung gelten; aber immer —
wie von den Frauen und Koͤniginnen, auch wohl
von den Schriftſtellern geſagt wird — unter
der Bedingung, daß ſie ſich in die eigentliche
Politik nie miſche. Solche, neben dem Staate
her laufende, Religion mag dazu dienen, hier und
dort ein Capital-Verbrechen zu verhuͤten, ſie
mag polizeilich mitwirken, daß manches boͤſe
Geluͤſt der Buͤrger im Zaum gehalten wird: in-
deß hat ſie nichts gemein mit der Religion, in
deren Nahmen echte Geſetzgeber ihr ganzes Werk
verrichteten. Es iſt voͤllig in der Ordnung, daß
ein uͤberkluges Geſchlecht, welches nichts Klare-
res kennt, als ſeine Aufklaͤrung, nichts Witzige-
res als ſeinen eigenen Witz, nichts Erhabneres
als die marktſchreieriſche Groͤße ſeiner Helden —
nun auch alle Erleuchtung, alle Groͤße, allen
Witz der Vorzeit nach dem eigenen Maßſtabe
beurtheilt. „Moſes,” heißt es da, „giebt vor,

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[28/0036] ſchmaͤhen. Wir geben Geſetze, ohne Ruͤckſicht auf ein großes, allen Naturen gemeinſchaftliches Geſetz des Anziehens und Abſtoßens, welches am zweckmaͤßigſten Liebe genannt wird, und wel- ches das Weſen der Religion ausmacht. — Die Mehrheit unſrer Regierungen verſchmaͤ- het nicht gerade die Religion an ſich, ſie laͤßt ſie vielleicht gar fuͤr eine nicht zu verachtende Ge- huͤlfin bei der Regierung gelten; aber immer — wie von den Frauen und Koͤniginnen, auch wohl von den Schriftſtellern geſagt wird — unter der Bedingung, daß ſie ſich in die eigentliche Politik nie miſche. Solche, neben dem Staate her laufende, Religion mag dazu dienen, hier und dort ein Capital-Verbrechen zu verhuͤten, ſie mag polizeilich mitwirken, daß manches boͤſe Geluͤſt der Buͤrger im Zaum gehalten wird: in- deß hat ſie nichts gemein mit der Religion, in deren Nahmen echte Geſetzgeber ihr ganzes Werk verrichteten. Es iſt voͤllig in der Ordnung, daß ein uͤberkluges Geſchlecht, welches nichts Klare- res kennt, als ſeine Aufklaͤrung, nichts Witzige- res als ſeinen eigenen Witz, nichts Erhabneres als die marktſchreieriſche Groͤße ſeiner Helden — nun auch alle Erleuchtung, alle Groͤße, allen Witz der Vorzeit nach dem eigenen Maßſtabe beurtheilt. „Moſes,” heißt es da, „giebt vor,

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/36>, abgerufen am 24.11.2024.