Zeiten eine dreifache Wichtigkeit. Die Entfüh- rung, die Befreiung des Volkes, und die Rei- nigung des künftigen Wohnsitzes von den unge- rechten Besitzern war der kleinste Theil. Aber was sollten die Befreiten mit ihrer Freiheit an- fangen, sie, die von irdischem Besitz und von hundert kleinen Götzen ihres Herzens abhängiger waren, als vom Pharao! Sie wurden im ge- lobten Lande unmittelbar wieder Sklaven. Der kriegerische Geist, der die Freiheit begleitet und sie erst zu einem wahren Lebensgute macht, war ausgestorben. Wie konnte man ihn nun wek- ken? wie ein Volk von Sklaven für die Freiheit erziehen? --
Moses lös'te die ungeheure Aufgabe. Was sind alle Helden der Freiheit, denen wir in der alten und in der neueren Geschichte begegnen, die etwa durch eine großmüthige Handlung, oder durch die Aufopferung ihres Lebens, der vater- ländischen Freiheit dienten, -- was sind Leoni- das mit seinen Spartanern, und alle Brutusse der Welt für Pygmäen gegen diesen riesenhaften Helden der Freiheit, jener energischen Freiheit, deren Wesen ich Ihnen neulich beschrieb! Er treibt sein Volk in die Wüste, durch welche ein kurzer Weg in das verheißene Land der Väter führte; aber in dem Maße, wie die Sklaverei der See-
Zeiten eine dreifache Wichtigkeit. Die Entfuͤh- rung, die Befreiung des Volkes, und die Rei- nigung des kuͤnftigen Wohnſitzes von den unge- rechten Beſitzern war der kleinſte Theil. Aber was ſollten die Befreiten mit ihrer Freiheit an- fangen, ſie, die von irdiſchem Beſitz und von hundert kleinen Goͤtzen ihres Herzens abhaͤngiger waren, als vom Pharao! Sie wurden im ge- lobten Lande unmittelbar wieder Sklaven. Der kriegeriſche Geiſt, der die Freiheit begleitet und ſie erſt zu einem wahren Lebensgute macht, war ausgeſtorben. Wie konnte man ihn nun wek- ken? wie ein Volk von Sklaven fuͤr die Freiheit erziehen? —
Moſes loͤſ’te die ungeheure Aufgabe. Was ſind alle Helden der Freiheit, denen wir in der alten und in der neueren Geſchichte begegnen, die etwa durch eine großmuͤthige Handlung, oder durch die Aufopferung ihres Lebens, der vater- laͤndiſchen Freiheit dienten, — was ſind Leoni- das mit ſeinen Spartanern, und alle Brutuſſe der Welt fuͤr Pygmaͤen gegen dieſen rieſenhaften Helden der Freiheit, jener energiſchen Freiheit, deren Weſen ich Ihnen neulich beſchrieb! Er treibt ſein Volk in die Wuͤſte, durch welche ein kurzer Weg in das verheißene Land der Vaͤter fuͤhrte; aber in dem Maße, wie die Sklaverei der See-
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Zeiten eine dreifache Wichtigkeit. Die Entfuͤh-
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rechten Beſitzern war der kleinſte Theil. Aber
was ſollten die Befreiten mit ihrer Freiheit an-
fangen, ſie, die von irdiſchem Beſitz und von
hundert kleinen Goͤtzen ihres Herzens abhaͤngiger
waren, als vom Pharao! Sie wurden im ge-
lobten Lande unmittelbar wieder Sklaven. Der
kriegeriſche Geiſt, der die Freiheit begleitet und
ſie erſt zu einem wahren Lebensgute macht, war
ausgeſtorben. Wie konnte man ihn nun wek-
ken? wie ein Volk von Sklaven fuͤr die Freiheit
erziehen? —
Moſes loͤſ’te die ungeheure Aufgabe. Was
ſind alle Helden der Freiheit, denen wir in der
alten und in der neueren Geſchichte begegnen,
die etwa durch eine großmuͤthige Handlung, oder
durch die Aufopferung ihres Lebens, der vater-
laͤndiſchen Freiheit dienten, — was ſind Leoni-
das mit ſeinen Spartanern, und alle Brutuſſe
der Welt fuͤr Pygmaͤen gegen dieſen rieſenhaften
Helden der Freiheit, jener energiſchen Freiheit,
deren Weſen ich Ihnen neulich beſchrieb! Er treibt
ſein Volk in die Wuͤſte, durch welche ein kurzer
Weg in das verheißene Land der Vaͤter fuͤhrte;
aber in dem Maße, wie die Sklaverei der See-
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/19>, abgerufen am 21.11.2024.
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