was wir "Preussischer Staat" nannten; und deshalb haben sie näher betrachtet werden müs- sen, um zu zeigen, wie Einerseits die von ihm dem ganzen Staate eingeprägte mechanische Be- griffsform, und wie andrerseits ein der Belebung derselben ganz abgewandter täuschender Schein von Cultur, Freiheit, Aufklärung und Römisch-Fran- zösische Philosophie den innern Widerspruch her- beigeführt haben, der vom Zeitgeiste vielmehr gepflegt und nachgeahmt, als gelös't worden ist.
Dessen ungeachtet giebt es einen alten Stamm Brandenburgischer, Preussischer und Pommer- scher Völker, welche einen wahren nationalen Charakter behauptet haben, noch immer den alten Kern der Nation bilden, und an welche sich die wahren Wiederhersteller des Preussischen Nah- mens jetzt um so sicherer wenden können, als sie fast allein ihrem Könige verblieben sind.
So war Friedrich, der eine Zeitlang dem ganzen Europa, und noch länger seinem eigenen Staate, alle Vorzeit mit ihren Helden verdeckte und verdunkelte: ohne Zweifel unter allen Denen, die ohne Rücksicht auf die Reaction des Volkes, des eigentlichen Regierungsstoffs, und ohne Rück- sicht auf irgend ein eigentlich nationales Band, den Gemüthern, Völkern und Zeitaltern das Ge- präge ihrer Eigenthümlichkeit aufzudrücken unter-
was wir „Preuſſiſcher Staat” nannten; und deshalb haben ſie naͤher betrachtet werden muͤſ- ſen, um zu zeigen, wie Einerſeits die von ihm dem ganzen Staate eingepraͤgte mechaniſche Be- griffsform, und wie andrerſeits ein der Belebung derſelben ganz abgewandter taͤuſchender Schein von Cultur, Freiheit, Aufklaͤrung und Roͤmiſch-Fran- zoͤſiſche Philoſophie den innern Widerſpruch her- beigefuͤhrt haben, der vom Zeitgeiſte vielmehr gepflegt und nachgeahmt, als geloͤſ’t worden iſt.
Deſſen ungeachtet giebt es einen alten Stamm Brandenburgiſcher, Preuſſiſcher und Pommer- ſcher Voͤlker, welche einen wahren nationalen Charakter behauptet haben, noch immer den alten Kern der Nation bilden, und an welche ſich die wahren Wiederherſteller des Preuſſiſchen Nah- mens jetzt um ſo ſicherer wenden koͤnnen, als ſie faſt allein ihrem Koͤnige verblieben ſind.
So war Friedrich, der eine Zeitlang dem ganzen Europa, und noch laͤnger ſeinem eigenen Staate, alle Vorzeit mit ihren Helden verdeckte und verdunkelte: ohne Zweifel unter allen Denen, die ohne Ruͤckſicht auf die Reaction des Volkes, des eigentlichen Regierungsſtoffs, und ohne Ruͤck- ſicht auf irgend ein eigentlich nationales Band, den Gemuͤthern, Voͤlkern und Zeitaltern das Ge- praͤge ihrer Eigenthuͤmlichkeit aufzudruͤcken unter-
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was wir „Preuſſiſcher Staat” nannten; und
deshalb haben ſie naͤher betrachtet werden muͤſ-
ſen, um zu zeigen, wie Einerſeits die von ihm
dem ganzen Staate eingepraͤgte mechaniſche Be-
griffsform, und wie andrerſeits ein der Belebung
derſelben ganz abgewandter taͤuſchender Schein von
Cultur, Freiheit, Aufklaͤrung und Roͤmiſch-Fran-
zoͤſiſche Philoſophie den innern Widerſpruch her-
beigefuͤhrt haben, der vom Zeitgeiſte vielmehr
gepflegt und nachgeahmt, als geloͤſ’t worden iſt.
Deſſen ungeachtet giebt es einen alten Stamm
Brandenburgiſcher, Preuſſiſcher und Pommer-
ſcher Voͤlker, welche einen wahren nationalen
Charakter behauptet haben, noch immer den alten
Kern der Nation bilden, und an welche ſich die
wahren Wiederherſteller des Preuſſiſchen Nah-
mens jetzt um ſo ſicherer wenden koͤnnen, als ſie
faſt allein ihrem Koͤnige verblieben ſind.
So war Friedrich, der eine Zeitlang dem
ganzen Europa, und noch laͤnger ſeinem eigenen
Staate, alle Vorzeit mit ihren Helden verdeckte
und verdunkelte: ohne Zweifel unter allen Denen,
die ohne Ruͤckſicht auf die Reaction des Volkes,
des eigentlichen Regierungsſtoffs, und ohne Ruͤck-
ſicht auf irgend ein eigentlich nationales Band,
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/179>, abgerufen am 22.11.2024.
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