Wenn Sie einen von den Aposteln jener neueren, negativen Gewerksfreiheit, welche nach dem bloßen Geld- und Producten-Gewinnst strebt, fragen: warum er Zünfte und In- nungen durchaus abgeschafft wissen wolle; so wird er ihnen folgende Rechenschaft geben: ihr Zweck sey, die Concurrenz jedes Dritten mit den Zunftgliedern, und die Concurrenz der Mei- ster unter einander zu hemmen. Da es nun ein- mal keine höhere Freiheit gebe, als die der Concurrenz aller Statsmitglieder zu allen, dem Staate nöthigen, Arbeiten, so seyen die Zunft- verfassungen ein ungerechter Eingriff in die Rech- te Derer, welche arbeiten wollen, und Arbeit verlangen. So legt unser ökonomisches Zeital- ter den Instituten des Mittelalters erst seine nichtswürdigen Lebenszwecke unter; es nimmt ihnen die ursprüngliche ehrwürdige und heilige Bedeutung, und ficht dann hitzig gegen die selbst construirte Gemeinheit. Sage ich zu viel, wenn ich behaupte, das eigentliche Geheimniß alles Staatsverbandes und aller Nationalität sey den Menschen dieser Zeit nicht bloß abhänden ge- kommen, sondern es seyen von der Staatswis- senschaft und Staatskunst wirkliche Formen zur Zerstörung der Staaten methodisch angeordnet worden? --
Lassen
Wenn Sie einen von den Apoſteln jener neueren, negativen Gewerksfreiheit, welche nach dem bloßen Geld- und Producten-Gewinnſt ſtrebt, fragen: warum er Zuͤnfte und In- nungen durchaus abgeſchafft wiſſen wolle; ſo wird er ihnen folgende Rechenſchaft geben: ihr Zweck ſey, die Concurrenz jedes Dritten mit den Zunftgliedern, und die Concurrenz der Mei- ſter unter einander zu hemmen. Da es nun ein- mal keine hoͤhere Freiheit gebe, als die der Concurrenz aller Statsmitglieder zu allen, dem Staate noͤthigen, Arbeiten, ſo ſeyen die Zunft- verfaſſungen ein ungerechter Eingriff in die Rech- te Derer, welche arbeiten wollen, und Arbeit verlangen. So legt unſer oͤkonomiſches Zeital- ter den Inſtituten des Mittelalters erſt ſeine nichtswuͤrdigen Lebenszwecke unter; es nimmt ihnen die urſpruͤngliche ehrwuͤrdige und heilige Bedeutung, und ficht dann hitzig gegen die ſelbſt conſtruirte Gemeinheit. Sage ich zu viel, wenn ich behaupte, das eigentliche Geheimniß alles Staatsverbandes und aller Nationalitaͤt ſey den Menſchen dieſer Zeit nicht bloß abhaͤnden ge- kommen, ſondern es ſeyen von der Staatswiſ- ſenſchaft und Staatskunſt wirkliche Formen zur Zerſtoͤrung der Staaten methodiſch angeordnet worden? —
Laſſen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0152"n="144"/><p>Wenn Sie einen von den Apoſteln jener<lb/>
neueren, negativen Gewerksfreiheit, welche nach<lb/>
dem bloßen Geld- und Producten-Gewinnſt<lb/>ſtrebt, fragen: warum er Zuͤnfte und In-<lb/>
nungen durchaus abgeſchafft wiſſen wolle; ſo<lb/>
wird er ihnen folgende Rechenſchaft geben: ihr<lb/>
Zweck ſey, die Concurrenz jedes Dritten mit<lb/>
den Zunftgliedern, und die Concurrenz der Mei-<lb/>ſter unter einander zu hemmen. Da es nun ein-<lb/>
mal keine hoͤhere Freiheit gebe, als die der<lb/>
Concurrenz aller Statsmitglieder zu allen, dem<lb/>
Staate noͤthigen, Arbeiten, ſo ſeyen die Zunft-<lb/>
verfaſſungen ein ungerechter Eingriff in die Rech-<lb/>
te Derer, welche arbeiten wollen, und Arbeit<lb/>
verlangen. So legt unſer oͤkonomiſches Zeital-<lb/>
ter den Inſtituten des Mittelalters erſt ſeine<lb/>
nichtswuͤrdigen Lebenszwecke unter; es nimmt<lb/>
ihnen die urſpruͤngliche ehrwuͤrdige und heilige<lb/>
Bedeutung, und ficht dann hitzig gegen die ſelbſt<lb/>
conſtruirte Gemeinheit. Sage ich zu viel, wenn<lb/>
ich behaupte, das eigentliche Geheimniß alles<lb/>
Staatsverbandes und aller Nationalitaͤt ſey den<lb/>
Menſchen dieſer Zeit nicht bloß abhaͤnden ge-<lb/>
kommen, ſondern es ſeyen von der Staatswiſ-<lb/>ſenſchaft und Staatskunſt wirkliche Formen zur<lb/>
Zerſtoͤrung der Staaten methodiſch angeordnet<lb/>
worden? —</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Laſſen</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[144/0152]
Wenn Sie einen von den Apoſteln jener
neueren, negativen Gewerksfreiheit, welche nach
dem bloßen Geld- und Producten-Gewinnſt
ſtrebt, fragen: warum er Zuͤnfte und In-
nungen durchaus abgeſchafft wiſſen wolle; ſo
wird er ihnen folgende Rechenſchaft geben: ihr
Zweck ſey, die Concurrenz jedes Dritten mit
den Zunftgliedern, und die Concurrenz der Mei-
ſter unter einander zu hemmen. Da es nun ein-
mal keine hoͤhere Freiheit gebe, als die der
Concurrenz aller Statsmitglieder zu allen, dem
Staate noͤthigen, Arbeiten, ſo ſeyen die Zunft-
verfaſſungen ein ungerechter Eingriff in die Rech-
te Derer, welche arbeiten wollen, und Arbeit
verlangen. So legt unſer oͤkonomiſches Zeital-
ter den Inſtituten des Mittelalters erſt ſeine
nichtswuͤrdigen Lebenszwecke unter; es nimmt
ihnen die urſpruͤngliche ehrwuͤrdige und heilige
Bedeutung, und ficht dann hitzig gegen die ſelbſt
conſtruirte Gemeinheit. Sage ich zu viel, wenn
ich behaupte, das eigentliche Geheimniß alles
Staatsverbandes und aller Nationalitaͤt ſey den
Menſchen dieſer Zeit nicht bloß abhaͤnden ge-
kommen, ſondern es ſeyen von der Staatswiſ-
ſenſchaft und Staatskunſt wirkliche Formen zur
Zerſtoͤrung der Staaten methodiſch angeordnet
worden? —
Laſſen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/152>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.