Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

und der tiers-etat alles in allem sey. Viel,
müssen wir gestehen, ist in dem Jahrtausend,
das wir seit dem Abbe Sieyes erlebt haben,
für die Politik nicht gewonnen worden: wenn
jene Männer nur wenigstens, so deutlich als
wir, erkennen möchten, daß sich ihr ganzes Trei-
ben wechselsweise um jene drei Achsen dreht! --
Von dem muntern Buchholz in Berlin, der aus
seiner vor Kurzem verlassenen theologischen Car-
riere, zu ihrem und seinem Ruhm, die Ueber-
zeugung mitgebracht hat, daß Christus, wie er
sich im neuen Leviathan sehr schicklich ausdrückt,
nichts mehr und nichts weniger als ein "patrio-
tischer Jüngling" gewesen sey, befremdet uns
diese Unwissenheit über das Mittelalter nicht;
aber daß ein Stern erster Größe, einst Rächer
der Päpste, und dann Beschreiber des Schwei-
zerischen tiers-etat, und Kenner der einzelnen
Facta des Mittelalters, wir dürfen ohne Ueber-
treibung sagen, wie im heutigen Europa keiner
weiter, daß Johann von Müller auf seinem
treuen Wandel durch die Jahrhunderte am Ende
auch nicht viel mehr Sicheres und Festes gewon-
nen hat, oder daß sein ungeheurer historischer
Vorrath, der thesaurus seiner Wissenschaft,
am Ende auch nichts mehr ist als ein absoluter,

und der tiers-état alles in allem ſey. Viel,
muͤſſen wir geſtehen, iſt in dem Jahrtauſend,
das wir ſeit dem Abbé Sieyes erlebt haben,
fuͤr die Politik nicht gewonnen worden: wenn
jene Maͤnner nur wenigſtens, ſo deutlich als
wir, erkennen moͤchten, daß ſich ihr ganzes Trei-
ben wechſelsweiſe um jene drei Achſen dreht! —
Von dem muntern Buchholz in Berlin, der aus
ſeiner vor Kurzem verlaſſenen theologiſchen Car-
riere, zu ihrem und ſeinem Ruhm, die Ueber-
zeugung mitgebracht hat, daß Chriſtus, wie er
ſich im neuen Leviathan ſehr ſchicklich ausdruͤckt,
nichts mehr und nichts weniger als ein „patrio-
tiſcher Juͤngling“ geweſen ſey, befremdet uns
dieſe Unwiſſenheit uͤber das Mittelalter nicht;
aber daß ein Stern erſter Groͤße, einſt Raͤcher
der Paͤpſte, und dann Beſchreiber des Schwei-
zeriſchen tiers-état, und Kenner der einzelnen
Facta des Mittelalters, wir duͤrfen ohne Ueber-
treibung ſagen, wie im heutigen Europa keiner
weiter, daß Johann von Muͤller auf ſeinem
treuen Wandel durch die Jahrhunderte am Ende
auch nicht viel mehr Sicheres und Feſtes gewon-
nen hat, oder daß ſein ungeheurer hiſtoriſcher
Vorrath, der thesaurus ſeiner Wiſſenſchaft,
am Ende auch nichts mehr iſt als ein abſoluter,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0145" n="137"/>
und der <hi rendition="#aq">tiers-état</hi> alles in allem &#x017F;ey. Viel,<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir ge&#x017F;tehen, i&#x017F;t in dem Jahrtau&#x017F;end,<lb/>
das wir &#x017F;eit dem Abbé Sieyes erlebt haben,<lb/>
fu&#x0364;r die Politik nicht gewonnen worden: wenn<lb/>
jene Ma&#x0364;nner nur wenig&#x017F;tens, &#x017F;o deutlich als<lb/>
wir, erkennen mo&#x0364;chten, daß &#x017F;ich ihr ganzes Trei-<lb/>
ben wech&#x017F;elswei&#x017F;e um jene drei Ach&#x017F;en dreht! &#x2014;<lb/>
Von dem muntern Buchholz in Berlin, der aus<lb/>
&#x017F;einer vor Kurzem verla&#x017F;&#x017F;enen theologi&#x017F;chen Car-<lb/>
riere, zu ihrem und &#x017F;einem Ruhm, die Ueber-<lb/>
zeugung mitgebracht hat, daß Chri&#x017F;tus, wie er<lb/>
&#x017F;ich im neuen Leviathan &#x017F;ehr &#x017F;chicklich ausdru&#x0364;ckt,<lb/>
nichts mehr und nichts weniger als ein &#x201E;patrio-<lb/>
ti&#x017F;cher Ju&#x0364;ngling&#x201C; gewe&#x017F;en &#x017F;ey, befremdet uns<lb/>
die&#x017F;e Unwi&#x017F;&#x017F;enheit u&#x0364;ber das Mittelalter nicht;<lb/>
aber daß ein Stern er&#x017F;ter Gro&#x0364;ße, ein&#x017F;t Ra&#x0364;cher<lb/>
der Pa&#x0364;p&#x017F;te, und dann Be&#x017F;chreiber des Schwei-<lb/>
zeri&#x017F;chen <hi rendition="#aq">tiers-état,</hi> und Kenner der einzelnen<lb/>
Facta des Mittelalters, wir du&#x0364;rfen ohne Ueber-<lb/>
treibung &#x017F;agen, wie im heutigen Europa <hi rendition="#g">keiner</hi><lb/>
weiter, daß Johann von Mu&#x0364;ller auf &#x017F;einem<lb/>
treuen Wandel durch die Jahrhunderte am Ende<lb/>
auch nicht viel mehr Sicheres und Fe&#x017F;tes gewon-<lb/>
nen hat, oder daß &#x017F;ein ungeheurer hi&#x017F;tori&#x017F;cher<lb/>
Vorrath, der <hi rendition="#aq">thesaurus</hi> &#x017F;einer Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft,<lb/>
am Ende auch nichts mehr i&#x017F;t als ein ab&#x017F;oluter,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0145] und der tiers-état alles in allem ſey. Viel, muͤſſen wir geſtehen, iſt in dem Jahrtauſend, das wir ſeit dem Abbé Sieyes erlebt haben, fuͤr die Politik nicht gewonnen worden: wenn jene Maͤnner nur wenigſtens, ſo deutlich als wir, erkennen moͤchten, daß ſich ihr ganzes Trei- ben wechſelsweiſe um jene drei Achſen dreht! — Von dem muntern Buchholz in Berlin, der aus ſeiner vor Kurzem verlaſſenen theologiſchen Car- riere, zu ihrem und ſeinem Ruhm, die Ueber- zeugung mitgebracht hat, daß Chriſtus, wie er ſich im neuen Leviathan ſehr ſchicklich ausdruͤckt, nichts mehr und nichts weniger als ein „patrio- tiſcher Juͤngling“ geweſen ſey, befremdet uns dieſe Unwiſſenheit uͤber das Mittelalter nicht; aber daß ein Stern erſter Groͤße, einſt Raͤcher der Paͤpſte, und dann Beſchreiber des Schwei- zeriſchen tiers-état, und Kenner der einzelnen Facta des Mittelalters, wir duͤrfen ohne Ueber- treibung ſagen, wie im heutigen Europa keiner weiter, daß Johann von Muͤller auf ſeinem treuen Wandel durch die Jahrhunderte am Ende auch nicht viel mehr Sicheres und Feſtes gewon- nen hat, oder daß ſein ungeheurer hiſtoriſcher Vorrath, der thesaurus ſeiner Wiſſenſchaft, am Ende auch nichts mehr iſt als ein abſoluter,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/145
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/145>, abgerufen am 28.11.2024.