gerungen und das sie nur erreichen zu können glaubten, indem sie den Tummelplatz ihrer Frei- heit auf einer Grundlage von Sklaverei und unbedingter Unterwerfung der bei weitem größe- ren Hälfte des menschlichen Geschlechtes errichte- ten, hat die christliche Religion als eins und dasselbe mit dem Gesetze dargestellt. Dafür haben wir sie, nachdem ihre Segnungen die geheimsten Stellen unseres Lebens durchdrungen, von dem unmittelbaren Antheil an dem Regiment der Völ- ker ausgeschlossen, und zuletzt noch den Standes- unterschied, den sie begründet, damit jedes von den drei großen Elementen des Staates wirksam, mächtig und sichtbar repräsentirt sey, aufgehoben, alle die von ihr befruchteten Gesetzgebungen der drei Stände, das kanonische Recht, das Lehns- recht und das christliche Bürger- oder Städte- Recht verdrängen helfen durch ein herbeigerufe- nes, auf unsern inneren Zustand durchaus un- passendes und nur unserm augenblicklichen welt- lichen Gelüste und Sicherheits-Calcul schmei- chelndes, fremdes, Römisches Recht.
Will sich denn kein Gesetzgeber zu dem Geiste der Jahrhunderte erheben? Soll denn über die großen Lehren der Vergangenheit immerfort ein Haufe elender Geschichtschreiber entscheiden? Auf die lebendige Historie, die aus allen uns umge-
Müllers Elemente. II. [8]
gerungen und das ſie nur erreichen zu koͤnnen glaubten, indem ſie den Tummelplatz ihrer Frei- heit auf einer Grundlage von Sklaverei und unbedingter Unterwerfung der bei weitem groͤße- ren Haͤlfte des menſchlichen Geſchlechtes errichte- ten, hat die chriſtliche Religion als eins und daſſelbe mit dem Geſetze dargeſtellt. Dafuͤr haben wir ſie, nachdem ihre Segnungen die geheimſten Stellen unſeres Lebens durchdrungen, von dem unmittelbaren Antheil an dem Regiment der Voͤl- ker ausgeſchloſſen, und zuletzt noch den Standes- unterſchied, den ſie begruͤndet, damit jedes von den drei großen Elementen des Staates wirkſam, maͤchtig und ſichtbar repraͤſentirt ſey, aufgehoben, alle die von ihr befruchteten Geſetzgebungen der drei Staͤnde, das kanoniſche Recht, das Lehns- recht und das chriſtliche Buͤrger- oder Staͤdte- Recht verdraͤngen helfen durch ein herbeigerufe- nes, auf unſern inneren Zuſtand durchaus un- paſſendes und nur unſerm augenblicklichen welt- lichen Geluͤſte und Sicherheits-Calcul ſchmei- chelndes, fremdes, Roͤmiſches Recht.
Will ſich denn kein Geſetzgeber zu dem Geiſte der Jahrhunderte erheben? Soll denn uͤber die großen Lehren der Vergangenheit immerfort ein Haufe elender Geſchichtſchreiber entſcheiden? Auf die lebendige Hiſtorie, die aus allen uns umge-
Müllers Elemente. II. [8]
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gerungen und das ſie nur erreichen zu koͤnnen
glaubten, indem ſie den Tummelplatz ihrer Frei-
heit auf einer Grundlage von Sklaverei und
unbedingter Unterwerfung der bei weitem groͤße-
ren Haͤlfte des menſchlichen Geſchlechtes errichte-
ten, hat die chriſtliche Religion als eins und
daſſelbe mit dem Geſetze dargeſtellt. Dafuͤr haben
wir ſie, nachdem ihre Segnungen die geheimſten
Stellen unſeres Lebens durchdrungen, von dem
unmittelbaren Antheil an dem Regiment der Voͤl-
ker ausgeſchloſſen, und zuletzt noch den Standes-
unterſchied, den ſie begruͤndet, damit jedes von
den drei großen Elementen des Staates wirkſam,
maͤchtig und ſichtbar repraͤſentirt ſey, aufgehoben,
alle die von ihr befruchteten Geſetzgebungen der
drei Staͤnde, das kanoniſche Recht, das Lehns-
recht und das chriſtliche Buͤrger- oder Staͤdte-
Recht verdraͤngen helfen durch ein herbeigerufe-
nes, auf unſern inneren Zuſtand durchaus un-
paſſendes und nur unſerm augenblicklichen welt-
lichen Geluͤſte und Sicherheits-Calcul ſchmei-
chelndes, fremdes, Roͤmiſches Recht.
Will ſich denn kein Geſetzgeber zu dem Geiſte
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/121>, abgerufen am 25.11.2024.
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