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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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eine Art von Destillation ab; man trat aus aller
wirklichen Gemeinschaft mit der Kirche als Corpo-
ration heraus; man unternahm es, sich unmittel-
bar an die irdische Persönlichkeit Christi zu wen-
den, privatim und ohne Vermittelung der dazwi-
schen liegenden, erklärenden Jahrtausende; man
verläugnete alle geistige Gemeinschaft mit den
Vorfahren; kurz -- und darin liegt der von al-
len klugen Lobrednern der Reformation übersehe-
ne Irrthum -- man nahm der Religion ih-
ren öffentlichen Charakter, ihre staats-
und völker-rechtliche Bedeutung, und
machte sie zu einer ausschließend häus-
lichen Privatangelegenheit
. Das Verfah-
ren war in genauem Zusammenhange mit der
anderweitigen Wendung, die der Geist der Zei-
ten genommen und die in den folgenden Jahr-
hunderten in allen Verhältnissen des Lebens im-
mer sichtbarer geworden. Das wieder erwachte
alte Rom, der Handel, und die Entdeckung der
Indien beförderten das Isoliren der Privat-Inte-
resses und des Privat-Eigenthums, wie die Er-
findung der Buchdruckerkunst die privative Be-
lehrung des Geistes, und die abgesonderte, indi-
viduelle, unnationale Ausbildung des Herzens.
Die Religion trat aus dem Staate heraus, und
wurde nachher von den Regierungen freilich an-

eine Art von Deſtillation ab; man trat aus aller
wirklichen Gemeinſchaft mit der Kirche als Corpo-
ration heraus; man unternahm es, ſich unmittel-
bar an die irdiſche Perſoͤnlichkeit Chriſti zu wen-
den, privatim und ohne Vermittelung der dazwi-
ſchen liegenden, erklaͤrenden Jahrtauſende; man
verlaͤugnete alle geiſtige Gemeinſchaft mit den
Vorfahren; kurz — und darin liegt der von al-
len klugen Lobrednern der Reformation uͤberſehe-
ne Irrthum — man nahm der Religion ih-
ren oͤffentlichen Charakter, ihre ſtaats-
und voͤlker-rechtliche Bedeutung, und
machte ſie zu einer ausſchließend haͤus-
lichen Privatangelegenheit
. Das Verfah-
ren war in genauem Zuſammenhange mit der
anderweitigen Wendung, die der Geiſt der Zei-
ten genommen und die in den folgenden Jahr-
hunderten in allen Verhaͤltniſſen des Lebens im-
mer ſichtbarer geworden. Das wieder erwachte
alte Rom, der Handel, und die Entdeckung der
Indien befoͤrderten das Iſoliren der Privat-Inte-
reſſes und des Privat-Eigenthums, wie die Er-
findung der Buchdruckerkunſt die privative Be-
lehrung des Geiſtes, und die abgeſonderte, indi-
viduelle, unnationale Ausbildung des Herzens.
Die Religion trat aus dem Staate heraus, und
wurde nachher von den Regierungen freilich an-

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[110/0118] eine Art von Deſtillation ab; man trat aus aller wirklichen Gemeinſchaft mit der Kirche als Corpo- ration heraus; man unternahm es, ſich unmittel- bar an die irdiſche Perſoͤnlichkeit Chriſti zu wen- den, privatim und ohne Vermittelung der dazwi- ſchen liegenden, erklaͤrenden Jahrtauſende; man verlaͤugnete alle geiſtige Gemeinſchaft mit den Vorfahren; kurz — und darin liegt der von al- len klugen Lobrednern der Reformation uͤberſehe- ne Irrthum — man nahm der Religion ih- ren oͤffentlichen Charakter, ihre ſtaats- und voͤlker-rechtliche Bedeutung, und machte ſie zu einer ausſchließend haͤus- lichen Privatangelegenheit. Das Verfah- ren war in genauem Zuſammenhange mit der anderweitigen Wendung, die der Geiſt der Zei- ten genommen und die in den folgenden Jahr- hunderten in allen Verhaͤltniſſen des Lebens im- mer ſichtbarer geworden. Das wieder erwachte alte Rom, der Handel, und die Entdeckung der Indien befoͤrderten das Iſoliren der Privat-Inte- reſſes und des Privat-Eigenthums, wie die Er- findung der Buchdruckerkunſt die privative Be- lehrung des Geiſtes, und die abgeſonderte, indi- viduelle, unnationale Ausbildung des Herzens. Die Religion trat aus dem Staate heraus, und wurde nachher von den Regierungen freilich an-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/118>, abgerufen am 27.11.2024.