man auf das Eine Wesentliche des Staates sieht, jener Naturzustand ohne allen Staat, jene Zeit vor allem Staate? --
Die Verbindung der menschlichen Angelegen- heiten existirt überall, und zu allen Zeiten, wo es Menschen giebt; und die Geschichte zeigt uns die Idee des Staates vom Anfange an, allent- halben, obgleich auf den verschiedensten Stufen des Wachsthums und der Ausbildung. -- Der Staat ruhet ganz in sich; unabhängig von menschlicher Willkühr und Erfindung, kommt er unmittelbar und zugleich mit dem Menschen eben daher, woher der Mensch kommt: aus der Na- tur: -- aus Gott, sagten die Alten.
III) Die Wissenschaften sind unab- hängig vom Staate; sie bieten einen Zu- fluchtsort dar, wohin der Mensch, wenn er von äußeren Verhältnissen geplagt und von den gro- ßen politischen Bewegungen der Zeit bestürmt wird, entweichen kann. Wir haben schon oben gese- hen, daß sich nichts Menschliches, also auch die Wissenschaft nicht, außerhalb des Staates denken läßt; indeß verdient dieser verbreitetste, gefähr- lichste Irrthum noch eine kurze, besondere Be- trachtung. -- Man könnte glauben, ich wolle auf den staatsverderblichen Einfluß der Gelehr- ten kommen; ich wolle zeigen, daß Physiokraten,
man auf das Eine Weſentliche des Staates ſieht, jener Naturzuſtand ohne allen Staat, jene Zeit vor allem Staate? —
Die Verbindung der menſchlichen Angelegen- heiten exiſtirt uͤberall, und zu allen Zeiten, wo es Menſchen giebt; und die Geſchichte zeigt uns die Idee des Staates vom Anfange an, allent- halben, obgleich auf den verſchiedenſten Stufen des Wachsthums und der Ausbildung. — Der Staat ruhet ganz in ſich; unabhaͤngig von menſchlicher Willkuͤhr und Erfindung, kommt er unmittelbar und zugleich mit dem Menſchen eben daher, woher der Menſch kommt: aus der Na- tur: — aus Gott, ſagten die Alten.
III) Die Wiſſenſchaften ſind unab- haͤngig vom Staate; ſie bieten einen Zu- fluchtsort dar, wohin der Menſch, wenn er von aͤußeren Verhaͤltniſſen geplagt und von den gro- ßen politiſchen Bewegungen der Zeit beſtuͤrmt wird, entweichen kann. Wir haben ſchon oben geſe- hen, daß ſich nichts Menſchliches, alſo auch die Wiſſenſchaft nicht, außerhalb des Staates denken laͤßt; indeß verdient dieſer verbreitetſte, gefaͤhr- lichſte Irrthum noch eine kurze, beſondere Be- trachtung. — Man koͤnnte glauben, ich wolle auf den ſtaatsverderblichen Einfluß der Gelehr- ten kommen; ich wolle zeigen, daß Phyſiokraten,
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man auf das Eine Weſentliche des Staates ſieht,
jener Naturzuſtand ohne allen Staat, jene Zeit
vor allem Staate? —
Die Verbindung der menſchlichen Angelegen-
heiten exiſtirt uͤberall, und zu allen Zeiten, wo
es Menſchen giebt; und die Geſchichte zeigt uns
die Idee des Staates vom Anfange an, allent-
halben, obgleich auf den verſchiedenſten Stufen
des Wachsthums und der Ausbildung. — Der
Staat ruhet ganz in ſich; unabhaͤngig von
menſchlicher Willkuͤhr und Erfindung, kommt er
unmittelbar und zugleich mit dem Menſchen eben
daher, woher der Menſch kommt: aus der Na-
tur: — aus Gott, ſagten die Alten.
III) Die Wiſſenſchaften ſind unab-
haͤngig vom Staate; ſie bieten einen Zu-
fluchtsort dar, wohin der Menſch, wenn er von
aͤußeren Verhaͤltniſſen geplagt und von den gro-
ßen politiſchen Bewegungen der Zeit beſtuͤrmt
wird, entweichen kann. Wir haben ſchon oben geſe-
hen, daß ſich nichts Menſchliches, alſo auch die
Wiſſenſchaft nicht, außerhalb des Staates denken
laͤßt; indeß verdient dieſer verbreitetſte, gefaͤhr-
lichſte Irrthum noch eine kurze, beſondere Be-
trachtung. — Man koͤnnte glauben, ich wolle
auf den ſtaatsverderblichen Einfluß der Gelehr-
ten kommen; ich wolle zeigen, daß Phyſiokraten,
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/96>, abgerufen am 22.11.2024.
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