Wesen des Staates begreifen und auf ihn wir- ken will.
Lange Friedenszeiten sind für die Cultur der Staatswissenschaft nicht günstig, eben weil die innere Natur des Staates unter heftigen Be- wegungen, unter Revolutionen und Kriegen, am deutlichsten an's Licht tritt. -- Ist nicht Cice- ro's politische Weisheit eine Frucht der Gährun- gen und Revolutionen in der Römischen Repu- blik, die sich gerade damals zu einer Monarchie umzugestalten strebte? Hat die Republik der vereinigten Niederlande nicht besonders den Krie- gen um ihre Freiheit, den Kämpfen mit dem Meere, mit Spanien, Frankreich und England, die Reihe großer Staatsmänner und Staatsge- lehrten zu verdanken, unter denen Namen, wie die von Oranien, van de Witt und Hugo Grotius glänzen? -- Was bildete Macchia- velli und Guicciardini? Welche Zustände zo- gen Burke'n groß? -- Alle diese Meister lernten nicht aus Lehrbüchern, Statistiken und Staats- kalendern, und nicht durch müßige Stuben-Spe- culation, sondern im Leben, in der Bewegung, den Staat kennen. Ihre Neigungen, die größ- ten wie die geringsten, waren ganz dahingege- ben an das Vaterland; ihr Schicksal Eins mit dem seinigen. Als sich nun von außen und
Weſen des Staates begreifen und auf ihn wir- ken will.
Lange Friedenszeiten ſind fuͤr die Cultur der Staatswiſſenſchaft nicht guͤnſtig, eben weil die innere Natur des Staates unter heftigen Be- wegungen, unter Revolutionen und Kriegen, am deutlichſten an’s Licht tritt. — Iſt nicht Cice- ro’s politiſche Weisheit eine Frucht der Gaͤhrun- gen und Revolutionen in der Roͤmiſchen Repu- blik, die ſich gerade damals zu einer Monarchie umzugeſtalten ſtrebte? Hat die Republik der vereinigten Niederlande nicht beſonders den Krie- gen um ihre Freiheit, den Kaͤmpfen mit dem Meere, mit Spanien, Frankreich und England, die Reihe großer Staatsmaͤnner und Staatsge- lehrten zu verdanken, unter denen Namen, wie die von Oranien, van de Witt und Hugo Grotius glaͤnzen? — Was bildete Macchia- velli und Guicciardini? Welche Zuſtaͤnde zo- gen Burke’n groß? — Alle dieſe Meiſter lernten nicht aus Lehrbuͤchern, Statiſtiken und Staats- kalendern, und nicht durch muͤßige Stuben-Spe- culation, ſondern im Leben, in der Bewegung, den Staat kennen. Ihre Neigungen, die groͤß- ten wie die geringſten, waren ganz dahingege- ben an das Vaterland; ihr Schickſal Eins mit dem ſeinigen. Als ſich nun von außen und
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Weſen des Staates begreifen und auf ihn wir-
ken will.
Lange Friedenszeiten ſind fuͤr die Cultur der
Staatswiſſenſchaft nicht guͤnſtig, eben weil die
innere Natur des Staates unter heftigen Be-
wegungen, unter Revolutionen und Kriegen,
am deutlichſten an’s Licht tritt. — Iſt nicht Cice-
ro’s politiſche Weisheit eine Frucht der Gaͤhrun-
gen und Revolutionen in der Roͤmiſchen Repu-
blik, die ſich gerade damals zu einer Monarchie
umzugeſtalten ſtrebte? Hat die Republik der
vereinigten Niederlande nicht beſonders den Krie-
gen um ihre Freiheit, den Kaͤmpfen mit dem
Meere, mit Spanien, Frankreich und England,
die Reihe großer Staatsmaͤnner und Staatsge-
lehrten zu verdanken, unter denen Namen, wie
die von Oranien, van de Witt und Hugo
Grotius glaͤnzen? — Was bildete Macchia-
velli und Guicciardini? Welche Zuſtaͤnde zo-
gen Burke’n groß? — Alle dieſe Meiſter lernten
nicht aus Lehrbuͤchern, Statiſtiken und Staats-
kalendern, und nicht durch muͤßige Stuben-Spe-
culation, ſondern im Leben, in der Bewegung,
den Staat kennen. Ihre Neigungen, die groͤß-
ten wie die geringſten, waren ganz dahingege-
ben an das Vaterland; ihr Schickſal Eins mit
dem ſeinigen. Als ſich nun von außen und
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/41>, abgerufen am 25.11.2024.
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