noch jetzt -- wie auch die momentane Lage der Welt mir widersprechen möge -- die Fünf-Reiche darstellen: so entsteht durch das rechtliche Stre- ben jedes einzelnen von ihnen (worin ja eben, wie ich gezeigt habe, ihre Unabhängigkeit und ihr organisches Leben sich äußert), dem rechtlichen Streben der andern gegenüber, so entsteht durch den Streit der Freiheit in fünf kolossalen, welt- umfassenden Ausdrücken dieser Freiheit, eine mäch- tige und weltgebietende Idee des Rechtes. Unter dieser Gestalt muß das Völkerrecht gedacht wer- den, wenn überhaupt ein Seyn damit verknüpft werden soll. Diese Idee auszusprechen, ist der Mensch zu klein und zu ohnmächtig, weil er sie auszuüben zu gering ist; Europäisches Völker- recht, Gleichgewicht, sind Ausdrücke, welche die große Idee andeuten sollen, aber so, wie sie uns in den gewöhnlichen Staats-Theorieen dar- geboten werden, zu unvollkommen, um auch nur anzudeuten.
Jeder wahre organische Rechtsstaat muß, wie ich gezeigt habe, und wie auch die Natur durch die beschriebene Einrichtung der Erdoberfläche, deutlich zu verstehen giebt, beschränkt seyn im Raume, damit er ein wirkliches, lebendiges und abgeschlossenes Individuum seyn könne. Als Individuum nun tritt er mit den andern großen
noch jetzt — wie auch die momentane Lage der Welt mir widerſprechen moͤge — die Fuͤnf-Reiche darſtellen: ſo entſteht durch das rechtliche Stre- ben jedes einzelnen von ihnen (worin ja eben, wie ich gezeigt habe, ihre Unabhaͤngigkeit und ihr organiſches Leben ſich aͤußert), dem rechtlichen Streben der andern gegenuͤber, ſo entſteht durch den Streit der Freiheit in fuͤnf koloſſalen, welt- umfaſſenden Ausdruͤcken dieſer Freiheit, eine maͤch- tige und weltgebietende Idee des Rechtes. Unter dieſer Geſtalt muß das Voͤlkerrecht gedacht wer- den, wenn uͤberhaupt ein Seyn damit verknuͤpft werden ſoll. Dieſe Idee auszuſprechen, iſt der Menſch zu klein und zu ohnmaͤchtig, weil er ſie auszuuͤben zu gering iſt; Europaͤiſches Voͤlker- recht, Gleichgewicht, ſind Ausdruͤcke, welche die große Idee andeuten ſollen, aber ſo, wie ſie uns in den gewoͤhnlichen Staats-Theorieen dar- geboten werden, zu unvollkommen, um auch nur anzudeuten.
Jeder wahre organiſche Rechtsſtaat muß, wie ich gezeigt habe, und wie auch die Natur durch die beſchriebene Einrichtung der Erdoberflaͤche, deutlich zu verſtehen giebt, beſchraͤnkt ſeyn im Raume, damit er ein wirkliches, lebendiges und abgeſchloſſenes Individuum ſeyn koͤnne. Als Individuum nun tritt er mit den andern großen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0316"n="282"/>
noch jetzt — wie auch die momentane Lage der<lb/>
Welt mir widerſprechen moͤge — die Fuͤnf-Reiche<lb/>
darſtellen: ſo entſteht durch das rechtliche Stre-<lb/>
ben jedes einzelnen von ihnen (worin ja eben,<lb/>
wie ich gezeigt habe, ihre Unabhaͤngigkeit und<lb/>
ihr organiſches Leben ſich aͤußert), dem rechtlichen<lb/>
Streben der andern gegenuͤber, ſo entſteht durch<lb/>
den Streit der Freiheit in fuͤnf koloſſalen, welt-<lb/>
umfaſſenden Ausdruͤcken dieſer Freiheit, eine maͤch-<lb/>
tige und weltgebietende Idee des Rechtes. Unter<lb/>
dieſer Geſtalt muß das Voͤlkerrecht gedacht wer-<lb/>
den, wenn uͤberhaupt ein Seyn damit verknuͤpft<lb/>
werden ſoll. Dieſe Idee auszuſprechen, iſt der<lb/>
Menſch zu klein und zu ohnmaͤchtig, weil er ſie<lb/>
auszuuͤben zu gering iſt; Europaͤiſches <hirendition="#g">Voͤlker-<lb/>
recht, Gleichgewicht</hi>, ſind Ausdruͤcke, welche<lb/>
die große Idee andeuten ſollen, aber ſo, wie ſie<lb/>
uns in den gewoͤhnlichen Staats-Theorieen dar-<lb/>
geboten werden, zu unvollkommen, um auch nur<lb/>
anzudeuten.</p><lb/><p>Jeder wahre organiſche Rechtsſtaat muß, wie<lb/>
ich gezeigt habe, und wie auch die Natur durch<lb/>
die beſchriebene Einrichtung der Erdoberflaͤche,<lb/>
deutlich zu verſtehen giebt, beſchraͤnkt ſeyn im<lb/>
Raume, damit er ein wirkliches, lebendiges und<lb/>
abgeſchloſſenes Individuum ſeyn koͤnne. Als<lb/>
Individuum nun tritt er mit den andern großen<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[282/0316]
noch jetzt — wie auch die momentane Lage der
Welt mir widerſprechen moͤge — die Fuͤnf-Reiche
darſtellen: ſo entſteht durch das rechtliche Stre-
ben jedes einzelnen von ihnen (worin ja eben,
wie ich gezeigt habe, ihre Unabhaͤngigkeit und
ihr organiſches Leben ſich aͤußert), dem rechtlichen
Streben der andern gegenuͤber, ſo entſteht durch
den Streit der Freiheit in fuͤnf koloſſalen, welt-
umfaſſenden Ausdruͤcken dieſer Freiheit, eine maͤch-
tige und weltgebietende Idee des Rechtes. Unter
dieſer Geſtalt muß das Voͤlkerrecht gedacht wer-
den, wenn uͤberhaupt ein Seyn damit verknuͤpft
werden ſoll. Dieſe Idee auszuſprechen, iſt der
Menſch zu klein und zu ohnmaͤchtig, weil er ſie
auszuuͤben zu gering iſt; Europaͤiſches Voͤlker-
recht, Gleichgewicht, ſind Ausdruͤcke, welche
die große Idee andeuten ſollen, aber ſo, wie ſie
uns in den gewoͤhnlichen Staats-Theorieen dar-
geboten werden, zu unvollkommen, um auch nur
anzudeuten.
Jeder wahre organiſche Rechtsſtaat muß, wie
ich gezeigt habe, und wie auch die Natur durch
die beſchriebene Einrichtung der Erdoberflaͤche,
deutlich zu verſtehen giebt, beſchraͤnkt ſeyn im
Raume, damit er ein wirkliches, lebendiges und
abgeſchloſſenes Individuum ſeyn koͤnne. Als
Individuum nun tritt er mit den andern großen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/316>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.