fünf Europäischen, organischen Staaten jene An- lage zu lebendiger Vollständigkeit noch vollstän- diger auszubilden! Zuerst läßt sie die Uranlage dieser Völker ungestört, dem Klima, dem Bo- den und der ganzen Localität gemäß, sich ent- wickeln: es bilden sich die Italischen, Gallischen Iberischen, Brittanischen und Germanischen Ur- völker. Italien, mit allen Gaben der alten Welt, und mit den blühendsten Griechischen Colonieen befruchtet, unterwirft sich zuerst die fünf Reiche; dann Germanien, im Bunde mit dem frischen, jugendlichen Norden, mit den Gothen, Vanda- len; dann Spanien im Bunde mit Portugal und den beiden Indien und den Niederlanden; dann Frankreich, auf sich selbst, auf seine cen- trale Lage, auf die allgemeine Popularität seiner Sprache und seiner Sitten gestützt; dann endlich England auf seine Industrie und seine Verfas- sung und auf den Zusammenhang mit allen Thei- len der Welt -- sie unterwerfen sich alle nach der Reihe die fünf Reiche. Im Laufe der Zei- ten, und in dem Maße, wie sich die Eigenthüm- lichkeit und die rechtliche Kraft eines jeden von diesen Staaten mehr ausbildet, wird auch die Präponderanz, die allezeit Einer von ihnen ge- habt hat, weniger drückend. Vergleichen Sie die Macht der Römer im Zeitalter des Augustus,
fuͤnf Europaͤiſchen, organiſchen Staaten jene An- lage zu lebendiger Vollſtaͤndigkeit noch vollſtaͤn- diger auszubilden! Zuerſt laͤßt ſie die Uranlage dieſer Voͤlker ungeſtoͤrt, dem Klima, dem Bo- den und der ganzen Localitaͤt gemaͤß, ſich ent- wickeln: es bilden ſich die Italiſchen, Galliſchen Iberiſchen, Brittaniſchen und Germaniſchen Ur- voͤlker. Italien, mit allen Gaben der alten Welt, und mit den bluͤhendſten Griechiſchen Colonieen befruchtet, unterwirft ſich zuerſt die fuͤnf Reiche; dann Germanien, im Bunde mit dem friſchen, jugendlichen Norden, mit den Gothen, Vanda- len; dann Spanien im Bunde mit Portugal und den beiden Indien und den Niederlanden; dann Frankreich, auf ſich ſelbſt, auf ſeine cen- trale Lage, auf die allgemeine Popularitaͤt ſeiner Sprache und ſeiner Sitten geſtuͤtzt; dann endlich England auf ſeine Induſtrie und ſeine Verfaſ- ſung und auf den Zuſammenhang mit allen Thei- len der Welt — ſie unterwerfen ſich alle nach der Reihe die fuͤnf Reiche. Im Laufe der Zei- ten, und in dem Maße, wie ſich die Eigenthuͤm- lichkeit und die rechtliche Kraft eines jeden von dieſen Staaten mehr ausbildet, wird auch die Praͤponderanz, die allezeit Einer von ihnen ge- habt hat, weniger druͤckend. Vergleichen Sie die Macht der Roͤmer im Zeitalter des Auguſtus,
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fuͤnf Europaͤiſchen, organiſchen Staaten jene An-
lage zu lebendiger Vollſtaͤndigkeit noch vollſtaͤn-
diger auszubilden! Zuerſt laͤßt ſie die Uranlage
dieſer Voͤlker ungeſtoͤrt, dem Klima, dem Bo-
den und der ganzen Localitaͤt gemaͤß, ſich ent-
wickeln: es bilden ſich die Italiſchen, Galliſchen
Iberiſchen, Brittaniſchen und Germaniſchen Ur-
voͤlker. Italien, mit allen Gaben der alten Welt,
und mit den bluͤhendſten Griechiſchen Colonieen
befruchtet, unterwirft ſich zuerſt die fuͤnf Reiche;
dann Germanien, im Bunde mit dem friſchen,
jugendlichen Norden, mit den Gothen, Vanda-
len; dann Spanien im Bunde mit Portugal
und den beiden Indien und den Niederlanden;
dann Frankreich, auf ſich ſelbſt, auf ſeine cen-
trale Lage, auf die allgemeine Popularitaͤt ſeiner
Sprache und ſeiner Sitten geſtuͤtzt; dann endlich
England auf ſeine Induſtrie und ſeine Verfaſ-
ſung und auf den Zuſammenhang mit allen Thei-
len der Welt — ſie unterwerfen ſich alle nach
der Reihe die fuͤnf Reiche. Im Laufe der Zei-
ten, und in dem Maße, wie ſich die Eigenthuͤm-
lichkeit und die rechtliche Kraft eines jeden von
dieſen Staaten mehr ausbildet, wird auch die
Praͤponderanz, die allezeit Einer von ihnen ge-
habt hat, weniger druͤckend. Vergleichen Sie die
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/312>, abgerufen am 24.11.2024.
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