dauernder, rechtlicher Zustand bewirkt wird, d. h. kein dauerndes Wachsthum der Idee des Rechtes, also überhaupt keine dauerhafte Na- tional-Existenz.
Wie auch Religion und Sitten das Alterthum und das Recht der vorangegangenen Generation in Schutz nehmen mögen -- ihre Stimme wird in dem Tumulte der Partheien, denen kein bleiben- der, mächtiger Richter gegenübersteht und die Wage hält, immer überhört werden; die Frei- heit der Gegenwärtigen, der lebendigen Köpfe, wird gegen die Freiheit der Abwesenden, der vorangegangenen und der zukünftigen Genera- tionen, wellche auch behauptet werden soll, wie ich neulich gezeigt habe, immer die Oberhand behalten; die augenblickliche Freiheit der Bürger wird über die ewige Freiheit der unsterblichen Staats-Familie allezeit den Sieg davon tragen; kurz, diese künstliche Erhebung todter Formen und Gesetze auf einen Thron, der dem Leben gebührt, wird nach kurzen Versuchen zum Unter- gang derselben Freiheit führen, um derentwillen sie angeordnet ist. Sehen Sie da, wie wich- tig und nöthig es ist, die Idee der Freiheit, wie wir es neulich gethan haben, in ihrem gan- zen Umfange aufzufassen, auch die Freiheit des Abwesenden und des anscheinend Todten, neben
dauernder, rechtlicher Zuſtand bewirkt wird, d. h. kein dauerndes Wachsthum der Idee des Rechtes, alſo uͤberhaupt keine dauerhafte Na- tional-Exiſtenz.
Wie auch Religion und Sitten das Alterthum und das Recht der vorangegangenen Generation in Schutz nehmen moͤgen — ihre Stimme wird in dem Tumulte der Partheien, denen kein bleiben- der, maͤchtiger Richter gegenuͤberſteht und die Wage haͤlt, immer uͤberhoͤrt werden; die Frei- heit der Gegenwaͤrtigen, der lebendigen Koͤpfe, wird gegen die Freiheit der Abweſenden, der vorangegangenen und der zukuͤnftigen Genera- tionen, wellche auch behauptet werden ſoll, wie ich neulich gezeigt habe, immer die Oberhand behalten; die augenblickliche Freiheit der Buͤrger wird uͤber die ewige Freiheit der unſterblichen Staats-Familie allezeit den Sieg davon tragen; kurz, dieſe kuͤnſtliche Erhebung todter Formen und Geſetze auf einen Thron, der dem Leben gebuͤhrt, wird nach kurzen Verſuchen zum Unter- gang derſelben Freiheit fuͤhren, um derentwillen ſie angeordnet iſt. Sehen Sie da, wie wich- tig und noͤthig es iſt, die Idee der Freiheit, wie wir es neulich gethan haben, in ihrem gan- zen Umfange aufzufaſſen, auch die Freiheit des Abweſenden und des anſcheinend Todten, neben
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dauernder, rechtlicher Zuſtand bewirkt wird, d.
h. kein dauerndes Wachsthum der Idee des
Rechtes, alſo uͤberhaupt keine dauerhafte Na-
tional-Exiſtenz.
Wie auch Religion und Sitten das Alterthum
und das Recht der vorangegangenen Generation
in Schutz nehmen moͤgen — ihre Stimme wird in
dem Tumulte der Partheien, denen kein bleiben-
der, maͤchtiger Richter gegenuͤberſteht und die
Wage haͤlt, immer uͤberhoͤrt werden; die Frei-
heit der Gegenwaͤrtigen, der lebendigen Koͤpfe,
wird gegen die Freiheit der Abweſenden, der
vorangegangenen und der zukuͤnftigen Genera-
tionen, wellche auch behauptet werden ſoll, wie
ich neulich gezeigt habe, immer die Oberhand
behalten; die augenblickliche Freiheit der Buͤrger
wird uͤber die ewige Freiheit der unſterblichen
Staats-Familie allezeit den Sieg davon tragen;
kurz, dieſe kuͤnſtliche Erhebung todter Formen
und Geſetze auf einen Thron, der dem Leben
gebuͤhrt, wird nach kurzen Verſuchen zum Unter-
gang derſelben Freiheit fuͤhren, um derentwillen
ſie angeordnet iſt. Sehen Sie da, wie wich-
tig und noͤthig es iſt, die Idee der Freiheit,
wie wir es neulich gethan haben, in ihrem gan-
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/285>, abgerufen am 22.11.2024.
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