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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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handel gestellt. Das Streben dieser beiden Staa-
ten war auf die ganze Welt gerichtet, aber nicht
nach innen; das bei weitem größte Feld Römi-
scher und Venezianischer Thätigkeit lag außer-
halb des Spielraums für die republikanischen
Gesetze. --

Eine in sich selbst ruhende Republik ferner,
wie Athen, muß unaufhörlichen Gährungen
unterworfen seyn: die Sprödigkeit des herrschen-
den Gesetzes muß immer neue Reactionen in
dem fortschreitenden, lebendigen Volke veranlas-
sen; anstatt des regelmäßigen, des periodischen
Lichtwechsels in den Monarchieen, muß hier ein
unregelmäßiger, zufälliger erfolgen. Der Streit
des kalten Gesetzes mit der Fülle lebendiger Na-
turen mag glänzendere politische Phänomene er-
zeugen; aber sie werden bald wieder erlöschen:
die wechselnde National-Laune wird Einen De-
magogen nach dem andern erheben; es wird sich
am Ende zeigen, daß auch in Republiken das
Gesetz allenthalben nach lebendiger Verkörperung
strebt, und daß es jeden Augenblick einen wirk-
lichen Repräsentanten des Gesetzes giebt, nur
daß dieser von Stunde zu Stunde wechselt,
und, wenn es auch jedes Mal der vortrefflichste,
der arisos, wäre, demnach nur einzelne, unzu-
sammenhangende rechtliche Momente, aber kein

handel geſtellt. Das Streben dieſer beiden Staa-
ten war auf die ganze Welt gerichtet, aber nicht
nach innen; das bei weitem groͤßte Feld Roͤmi-
ſcher und Venezianiſcher Thaͤtigkeit lag außer-
halb des Spielraums fuͤr die republikaniſchen
Geſetze. —

Eine in ſich ſelbſt ruhende Republik ferner,
wie Athen, muß unaufhoͤrlichen Gaͤhrungen
unterworfen ſeyn: die Sproͤdigkeit des herrſchen-
den Geſetzes muß immer neue Reactionen in
dem fortſchreitenden, lebendigen Volke veranlaſ-
ſen; anſtatt des regelmaͤßigen, des periodiſchen
Lichtwechſels in den Monarchieen, muß hier ein
unregelmaͤßiger, zufaͤlliger erfolgen. Der Streit
des kalten Geſetzes mit der Fuͤlle lebendiger Na-
turen mag glaͤnzendere politiſche Phaͤnomene er-
zeugen; aber ſie werden bald wieder erloͤſchen:
die wechſelnde National-Laune wird Einen De-
magogen nach dem andern erheben; es wird ſich
am Ende zeigen, daß auch in Republiken das
Geſetz allenthalben nach lebendiger Verkoͤrperung
ſtrebt, und daß es jeden Augenblick einen wirk-
lichen Repraͤſentanten des Geſetzes giebt, nur
daß dieſer von Stunde zu Stunde wechſelt,
und, wenn es auch jedes Mal der vortrefflichſte,
der ἀριςος, waͤre, demnach nur einzelne, unzu-
ſammenhangende rechtliche Momente, aber kein

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[250/0284] handel geſtellt. Das Streben dieſer beiden Staa- ten war auf die ganze Welt gerichtet, aber nicht nach innen; das bei weitem groͤßte Feld Roͤmi- ſcher und Venezianiſcher Thaͤtigkeit lag außer- halb des Spielraums fuͤr die republikaniſchen Geſetze. — Eine in ſich ſelbſt ruhende Republik ferner, wie Athen, muß unaufhoͤrlichen Gaͤhrungen unterworfen ſeyn: die Sproͤdigkeit des herrſchen- den Geſetzes muß immer neue Reactionen in dem fortſchreitenden, lebendigen Volke veranlaſ- ſen; anſtatt des regelmaͤßigen, des periodiſchen Lichtwechſels in den Monarchieen, muß hier ein unregelmaͤßiger, zufaͤlliger erfolgen. Der Streit des kalten Geſetzes mit der Fuͤlle lebendiger Na- turen mag glaͤnzendere politiſche Phaͤnomene er- zeugen; aber ſie werden bald wieder erloͤſchen: die wechſelnde National-Laune wird Einen De- magogen nach dem andern erheben; es wird ſich am Ende zeigen, daß auch in Republiken das Geſetz allenthalben nach lebendiger Verkoͤrperung ſtrebt, und daß es jeden Augenblick einen wirk- lichen Repraͤſentanten des Geſetzes giebt, nur daß dieſer von Stunde zu Stunde wechſelt, und, wenn es auch jedes Mal der vortrefflichſte, der ἀριςος, waͤre, demnach nur einzelne, unzu- ſammenhangende rechtliche Momente, aber kein

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/284>, abgerufen am 22.11.2024.