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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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den wir hier im Kleinen und Ganzen wieder:
der Hauswirth ist eben so wohl Richter als Fi-
nancier in der Verwaltung seines kleinen Ver-
mögens; und da, ihm gegenüber, bloß die häus-
liche und gesellschaftliche Natur aller Theile die-
ses Vermögens in Anschlag kommt: so wird er,
nach einem und demselben Gesetze der Gerechtig-
keit, zwischen seinen Knechten, Mägden, seinem
Vieh, seinem Acker, seinem Feldgeräthe vermit-
teln; ohne weitere Verstandes-Distinction, daß
jene ja wirkliche Personen, diese aber nur Sa-
chen seyen. --

Eben so der wahre Staatsmann: nach dem-
selben Gesetze der Gerechtigkeit, unbekümmert um
die scharfen Distinctionen der Philosophie des Ta-
ges, sieht er in allen Individuen, sogenannten
lebendigen und sogenannten todten, sogenannten
Personen und sogenannten Sachen, nur ihre ge-
sellschaftliche Bedeutung, den Werth, welchen sie
für das bürgerliche Leben haben; und das Verhält-
niß dieser einzelnen gesellschaftlichen Werthe heißt
ihm: Rechtsverhältniß. Diese Rechtsverhältnisse
alle gemeinschaftlich aufrecht zu erhalten, oder
zu vermitteln, oder zu repräsentiren: das hält
er für seine Bestimmung; nicht die bloßen, leben-
digen Personen, nicht die bloße Summe der

den wir hier im Kleinen und Ganzen wieder:
der Hauswirth iſt eben ſo wohl Richter als Fi-
nancier in der Verwaltung ſeines kleinen Ver-
moͤgens; und da, ihm gegenuͤber, bloß die haͤus-
liche und geſellſchaftliche Natur aller Theile die-
ſes Vermoͤgens in Anſchlag kommt: ſo wird er,
nach einem und demſelben Geſetze der Gerechtig-
keit, zwiſchen ſeinen Knechten, Maͤgden, ſeinem
Vieh, ſeinem Acker, ſeinem Feldgeraͤthe vermit-
teln; ohne weitere Verſtandes-Diſtinction, daß
jene ja wirkliche Perſonen, dieſe aber nur Sa-
chen ſeyen. —

Eben ſo der wahre Staatsmann: nach dem-
ſelben Geſetze der Gerechtigkeit, unbekuͤmmert um
die ſcharfen Diſtinctionen der Philoſophie des Ta-
ges, ſieht er in allen Individuen, ſogenannten
lebendigen und ſogenannten todten, ſogenannten
Perſonen und ſogenannten Sachen, nur ihre ge-
ſellſchaftliche Bedeutung, den Werth, welchen ſie
fuͤr das buͤrgerliche Leben haben; und das Verhaͤlt-
niß dieſer einzelnen geſellſchaftlichen Werthe heißt
ihm: Rechtsverhaͤltniß. Dieſe Rechtsverhaͤltniſſe
alle gemeinſchaftlich aufrecht zu erhalten, oder
zu vermitteln, oder zu repraͤſentiren: das haͤlt
er fuͤr ſeine Beſtimmung; nicht die bloßen, leben-
digen Perſonen, nicht die bloße Summe der

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[235/0269] den wir hier im Kleinen und Ganzen wieder: der Hauswirth iſt eben ſo wohl Richter als Fi- nancier in der Verwaltung ſeines kleinen Ver- moͤgens; und da, ihm gegenuͤber, bloß die haͤus- liche und geſellſchaftliche Natur aller Theile die- ſes Vermoͤgens in Anſchlag kommt: ſo wird er, nach einem und demſelben Geſetze der Gerechtig- keit, zwiſchen ſeinen Knechten, Maͤgden, ſeinem Vieh, ſeinem Acker, ſeinem Feldgeraͤthe vermit- teln; ohne weitere Verſtandes-Diſtinction, daß jene ja wirkliche Perſonen, dieſe aber nur Sa- chen ſeyen. — Eben ſo der wahre Staatsmann: nach dem- ſelben Geſetze der Gerechtigkeit, unbekuͤmmert um die ſcharfen Diſtinctionen der Philoſophie des Ta- ges, ſieht er in allen Individuen, ſogenannten lebendigen und ſogenannten todten, ſogenannten Perſonen und ſogenannten Sachen, nur ihre ge- ſellſchaftliche Bedeutung, den Werth, welchen ſie fuͤr das buͤrgerliche Leben haben; und das Verhaͤlt- niß dieſer einzelnen geſellſchaftlichen Werthe heißt ihm: Rechtsverhaͤltniß. Dieſe Rechtsverhaͤltniſſe alle gemeinſchaftlich aufrecht zu erhalten, oder zu vermitteln, oder zu repraͤſentiren: das haͤlt er fuͤr ſeine Beſtimmung; nicht die bloßen, leben- digen Perſonen, nicht die bloße Summe der

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/269>, abgerufen am 22.11.2024.