sich richten und formen sollte: -- während wir, im Wahn eines allgemeinen unbeschränkten Be- sitzes aller auf der Erde vorhandenen sogenann- ten todten Sachen, worin unser so bestimmtes und absolutes Privat-Recht uns noch bestärkt, nie einsehen wollen, daß alles Das, dessen Eigen- thümer wir uns nennen, eben so wohl, und noch viel mehr, jener unsterblichen Familie gehört, deren vergängliche Glieder wir sind. Capital und Zinsen, Grundstück und Ertrag zu verwech- seln, beides für gleich-abhängig von der Will- kühr des gegenwärtigen Besitzers zu halten: das war der Charakter jener Zeit und des Ge- schlechtes, welches, in eitlem, schrecklich bestraftem Hochmuth, seiner Ahnherren und seiner Enkel vergaß, und den Begriff dieses despotischen Eigenthums unter die Menschenrechte setzte: les droits de l'homme en societe sont la liberte, l'egalite, la propriete!
Es ist wahr, wenn ein Einzelner jenen leben- digen Charakter des Eigenthums bei Seite setzen und Capital und Zinsen in thörichter Willkühr verschleudern will, so kann er für den Augen- blick eine große Wirkung hervorbringen. Das- selbe wird der Fall seyn bei einer Nation, die das National-Capital ihres Eigenthums angreift. Aber diese glänzenden Augenblicke würden in der
ſich richten und formen ſollte: — waͤhrend wir, im Wahn eines allgemeinen unbeſchraͤnkten Be- ſitzes aller auf der Erde vorhandenen ſogenann- ten todten Sachen, worin unſer ſo beſtimmtes und abſolutes Privat-Recht uns noch beſtaͤrkt, nie einſehen wollen, daß alles Das, deſſen Eigen- thuͤmer wir uns nennen, eben ſo wohl, und noch viel mehr, jener unſterblichen Familie gehoͤrt, deren vergaͤngliche Glieder wir ſind. Capital und Zinſen, Grundſtuͤck und Ertrag zu verwech- ſeln, beides fuͤr gleich-abhaͤngig von der Will- kuͤhr des gegenwaͤrtigen Beſitzers zu halten: das war der Charakter jener Zeit und des Ge- ſchlechtes, welches, in eitlem, ſchrecklich beſtraftem Hochmuth, ſeiner Ahnherren und ſeiner Enkel vergaß, und den Begriff dieſes despotiſchen Eigenthums unter die Menſchenrechte ſetzte: les droits de l’homme en société sont la liberté, l’egalité, la propriété!
Es iſt wahr, wenn ein Einzelner jenen leben- digen Charakter des Eigenthums bei Seite ſetzen und Capital und Zinſen in thoͤrichter Willkuͤhr verſchleudern will, ſo kann er fuͤr den Augen- blick eine große Wirkung hervorbringen. Daſ- ſelbe wird der Fall ſeyn bei einer Nation, die das National-Capital ihres Eigenthums angreift. Aber dieſe glaͤnzenden Augenblicke wuͤrden in der
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ſich richten und formen ſollte: — waͤhrend wir,
im Wahn eines allgemeinen unbeſchraͤnkten Be-
ſitzes aller auf der Erde vorhandenen ſogenann-
ten todten Sachen, worin unſer ſo beſtimmtes
und abſolutes Privat-Recht uns noch beſtaͤrkt,
nie einſehen wollen, daß alles Das, deſſen Eigen-
thuͤmer wir uns nennen, eben ſo wohl, und noch
viel mehr, jener unſterblichen Familie gehoͤrt,
deren vergaͤngliche Glieder wir ſind. Capital
und Zinſen, Grundſtuͤck und Ertrag zu verwech-
ſeln, beides fuͤr gleich-abhaͤngig von der Will-
kuͤhr des gegenwaͤrtigen Beſitzers zu halten:
das war der Charakter jener Zeit und des Ge-
ſchlechtes, welches, in eitlem, ſchrecklich beſtraftem
Hochmuth, ſeiner Ahnherren und ſeiner Enkel
vergaß, und den Begriff dieſes despotiſchen
Eigenthums unter die Menſchenrechte ſetzte: les
droits de l’homme en société sont la liberté,
l’egalité, la propriété!
Es iſt wahr, wenn ein Einzelner jenen leben-
digen Charakter des Eigenthums bei Seite ſetzen
und Capital und Zinſen in thoͤrichter Willkuͤhr
verſchleudern will, ſo kann er fuͤr den Augen-
blick eine große Wirkung hervorbringen. Daſ-
ſelbe wird der Fall ſeyn bei einer Nation, die
das National-Capital ihres Eigenthums angreift.
Aber dieſe glaͤnzenden Augenblicke wuͤrden in der
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/263>, abgerufen am 23.11.2024.
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