den leichtesten Lebensgenuß. Was sonst hat die größten Handelsstaaten der Welt groß gemacht, als diese Ehrfurcht für das Capital? diese tief- gewurzelte Ueberzeugung, daß der vorüberge- hende Einzelne nur Nießbraucher desselben sey, und keinesweges nach freier Willkühr mit dem Theil des großen National-Capitals schalten und walten dürfe, den er von seinem Standpunkte aus übersehen und erreichen könne; daß sein Verhältniß zu seinem besonderen Capitale völlig eben so zart sey, wie das zu seiner Frau in der Ehe!
Man muß das Wesen wahrer Handelsstaa- ten, und die Natur der alten Europäischen Adels- verhältnisse einer genauen Betrachtung unter- worfen haben, um die Idee des lebendigen Eigenthums in zwei ganz entgegengesetzten Formen aufzufassen, und um den Grundmangel des heutigen Privat-Rechtes zu empfinden. Die Unveräußerlichkeit aller Familiengüter -- ein Ge- setz, worüber heut zu Tage jeder Modejünger der National-Oekonomie spottet, und das, wie es auch entstanden seyn möge, schon deshalb ernsthafte Betrachtung verdient, weil es durch die Sitte ganzer Jahrhunderte aufrecht erhalten, befestigt und bekräftigt worden -- ist ein herrliches Muster, wonach alles Eigenthum im Staate
den leichteſten Lebensgenuß. Was ſonſt hat die groͤßten Handelsſtaaten der Welt groß gemacht, als dieſe Ehrfurcht fuͤr das Capital? dieſe tief- gewurzelte Ueberzeugung, daß der voruͤberge- hende Einzelne nur Nießbraucher deſſelben ſey, und keinesweges nach freier Willkuͤhr mit dem Theil des großen National-Capitals ſchalten und walten duͤrfe, den er von ſeinem Standpunkte aus uͤberſehen und erreichen koͤnne; daß ſein Verhaͤltniß zu ſeinem beſonderen Capitale voͤllig eben ſo zart ſey, wie das zu ſeiner Frau in der Ehe!
Man muß das Weſen wahrer Handelsſtaa- ten, und die Natur der alten Europaͤiſchen Adels- verhaͤltniſſe einer genauen Betrachtung unter- worfen haben, um die Idee des lebendigen Eigenthums in zwei ganz entgegengeſetzten Formen aufzufaſſen, und um den Grundmangel des heutigen Privat-Rechtes zu empfinden. Die Unveraͤußerlichkeit aller Familienguͤter — ein Ge- ſetz, woruͤber heut zu Tage jeder Modejuͤnger der National-Oekonomie ſpottet, und das, wie es auch entſtanden ſeyn moͤge, ſchon deshalb ernſthafte Betrachtung verdient, weil es durch die Sitte ganzer Jahrhunderte aufrecht erhalten, befeſtigt und bekraͤftigt worden — iſt ein herrliches Muſter, wonach alles Eigenthum im Staate
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den leichteſten Lebensgenuß. Was ſonſt hat die
groͤßten Handelsſtaaten der Welt groß gemacht,
als dieſe Ehrfurcht fuͤr das Capital? dieſe tief-
gewurzelte Ueberzeugung, daß der voruͤberge-
hende Einzelne nur Nießbraucher deſſelben ſey,
und keinesweges nach freier Willkuͤhr mit dem
Theil des großen National-Capitals ſchalten und
walten duͤrfe, den er von ſeinem Standpunkte
aus uͤberſehen und erreichen koͤnne; daß ſein
Verhaͤltniß zu ſeinem beſonderen Capitale voͤllig
eben ſo zart ſey, wie das zu ſeiner Frau in der
Ehe!
Man muß das Weſen wahrer Handelsſtaa-
ten, und die Natur der alten Europaͤiſchen Adels-
verhaͤltniſſe einer genauen Betrachtung unter-
worfen haben, um die Idee des lebendigen
Eigenthums in zwei ganz entgegengeſetzten
Formen aufzufaſſen, und um den Grundmangel
des heutigen Privat-Rechtes zu empfinden. Die
Unveraͤußerlichkeit aller Familienguͤter — ein Ge-
ſetz, woruͤber heut zu Tage jeder Modejuͤnger
der National-Oekonomie ſpottet, und das, wie
es auch entſtanden ſeyn moͤge, ſchon deshalb
ernſthafte Betrachtung verdient, weil es durch
die Sitte ganzer Jahrhunderte aufrecht erhalten,
befeſtigt und bekraͤftigt worden — iſt ein herrliches
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/262>, abgerufen am 25.11.2024.
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