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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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nichts als ihr Nutzen für die bürgerliche Gesell-
schaft. Stehen sie in Beziehung auf das mensch-
liche Leben? das ist die Frage. Ist etwas an
ihnen, das dem menschlichen Leben entspricht?
Und was dem Leben entspricht, das ist selbst
lebendig. Die Spuren ehemaligen Lebens, fer-
ner der gegenwärtige lebendige Verkehr mit den
Dingen, endlich die Aussicht, daß diese Dinge
künftig gebraucht werden, d. h. in das leben-
dige Leben eingreifen könnten: das ist es, was
an den Sachen interessirt und ihnen Werth giebt.
Wir lieben, wir achten, wir bezahlen, wir be-
arbeiten, wir verschenken an den Sachen nur
ihre Nutzbarkeit, ihre Beziehung auf das Leben,
d. h. ihre Persönlichkeit. -- Und dennoch ver-
fährt die Theorie der Jurisprudenz so, als wäre
die Begreifbarkeit der Sachen, und das Her-
ausreißen derselben aus dem Zusammenhange
der bürgerlichen Gesellschaft, das Verschließen
derselben in Koffer, das Wesen des Eigenthums;
weshalb auch consequente Juristen nicht umhin
können, alles Privat-Eigenthum für unrecht-
mäßig zu erklären.

Also nicht die Sachen an sich, die, wie sie
überhaupt keinen Werth haben, nun meinethal-
ben auch todt seyn mögen, aber die Beziehung
der Sachen auf Personen ist das eigentliche Ob-

ject

nichts als ihr Nutzen fuͤr die buͤrgerliche Geſell-
ſchaft. Stehen ſie in Beziehung auf das menſch-
liche Leben? das iſt die Frage. Iſt etwas an
ihnen, das dem menſchlichen Leben entſpricht?
Und was dem Leben entſpricht, das iſt ſelbſt
lebendig. Die Spuren ehemaligen Lebens, fer-
ner der gegenwaͤrtige lebendige Verkehr mit den
Dingen, endlich die Ausſicht, daß dieſe Dinge
kuͤnftig gebraucht werden, d. h. in das leben-
dige Leben eingreifen koͤnnten: das iſt es, was
an den Sachen intereſſirt und ihnen Werth giebt.
Wir lieben, wir achten, wir bezahlen, wir be-
arbeiten, wir verſchenken an den Sachen nur
ihre Nutzbarkeit, ihre Beziehung auf das Leben,
d. h. ihre Perſoͤnlichkeit. — Und dennoch ver-
faͤhrt die Theorie der Jurisprudenz ſo, als waͤre
die Begreifbarkeit der Sachen, und das Her-
ausreißen derſelben aus dem Zuſammenhange
der buͤrgerlichen Geſellſchaft, das Verſchließen
derſelben in Koffer, das Weſen des Eigenthums;
weshalb auch conſequente Juriſten nicht umhin
koͤnnen, alles Privat-Eigenthum fuͤr unrecht-
maͤßig zu erklaͤren.

Alſo nicht die Sachen an ſich, die, wie ſie
uͤberhaupt keinen Werth haben, nun meinethal-
ben auch todt ſeyn moͤgen, aber die Beziehung
der Sachen auf Perſonen iſt das eigentliche Ob-

ject
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[224/0258] nichts als ihr Nutzen fuͤr die buͤrgerliche Geſell- ſchaft. Stehen ſie in Beziehung auf das menſch- liche Leben? das iſt die Frage. Iſt etwas an ihnen, das dem menſchlichen Leben entſpricht? Und was dem Leben entſpricht, das iſt ſelbſt lebendig. Die Spuren ehemaligen Lebens, fer- ner der gegenwaͤrtige lebendige Verkehr mit den Dingen, endlich die Ausſicht, daß dieſe Dinge kuͤnftig gebraucht werden, d. h. in das leben- dige Leben eingreifen koͤnnten: das iſt es, was an den Sachen intereſſirt und ihnen Werth giebt. Wir lieben, wir achten, wir bezahlen, wir be- arbeiten, wir verſchenken an den Sachen nur ihre Nutzbarkeit, ihre Beziehung auf das Leben, d. h. ihre Perſoͤnlichkeit. — Und dennoch ver- faͤhrt die Theorie der Jurisprudenz ſo, als waͤre die Begreifbarkeit der Sachen, und das Her- ausreißen derſelben aus dem Zuſammenhange der buͤrgerlichen Geſellſchaft, das Verſchließen derſelben in Koffer, das Weſen des Eigenthums; weshalb auch conſequente Juriſten nicht umhin koͤnnen, alles Privat-Eigenthum fuͤr unrecht- maͤßig zu erklaͤren. Alſo nicht die Sachen an ſich, die, wie ſie uͤberhaupt keinen Werth haben, nun meinethal- ben auch todt ſeyn moͤgen, aber die Beziehung der Sachen auf Perſonen iſt das eigentliche Ob- ject

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/258>, abgerufen am 22.11.2024.