er die Willkühr. Ferner der Begriff der Gleich- heit, da man eine äußere Gleichheit meint, und alle äußere Verschiedenheit, worin sich eben die innere Gleichheit als Idee bewähren soll, aus- gelöscht wird, verfehlt seinen Zweck nicht: alle diese gerupften, der ganzen, stolzen, eigenthüm- lichen Bekleidung ihres Lebens beraubten, Crea- turen gleichen einander an Ohnmacht und sklavi- scher Gesinnung. So hat sich eine vermeinte Freiheit, mit ihrem Gefolge, der Gleichheit, in dem revolutionirten Frankreich charakterisirt.
Daß Einzelne frei sind und ihnen die Be- hauptung ihrer Eigenthümlichkeit freigestellt bleibt, während Andre die Form ihres Lebens und Handelns von fremder Willkühr hernehmen müs- sen: das hat die Welt gegen Privilegien, Exem- tionen und Monopolien aller Art erbittert. Wohlan! wenn die Freiheit also überhaupt wieder hergestellt werden soll, so muß sie all- gemein wieder hergestellt werden, jede einzelne Natur, die zum Ganzen des Staates gehört, muß sich auf ihre Weise regen, streiten und ver- theidigen können; denn, wäre auch nur eine ein- zige ausgenommen, so könnte sie sich über ein Privilegium, das allen übrigen zustände, und über Unterdrückung beklagen. Wer sind also diese einzelnen Naturen, damit wir keine übersehen,
er die Willkuͤhr. Ferner der Begriff der Gleich- heit, da man eine aͤußere Gleichheit meint, und alle aͤußere Verſchiedenheit, worin ſich eben die innere Gleichheit als Idee bewaͤhren ſoll, aus- geloͤſcht wird, verfehlt ſeinen Zweck nicht: alle dieſe gerupften, der ganzen, ſtolzen, eigenthuͤm- lichen Bekleidung ihres Lebens beraubten, Crea- turen gleichen einander an Ohnmacht und ſklavi- ſcher Geſinnung. So hat ſich eine vermeinte Freiheit, mit ihrem Gefolge, der Gleichheit, in dem revolutionirten Frankreich charakteriſirt.
Daß Einzelne frei ſind und ihnen die Be- hauptung ihrer Eigenthuͤmlichkeit freigeſtellt bleibt, waͤhrend Andre die Form ihres Lebens und Handelns von fremder Willkuͤhr hernehmen muͤſ- ſen: das hat die Welt gegen Privilegien, Exem- tionen und Monopolien aller Art erbittert. Wohlan! wenn die Freiheit alſo uͤberhaupt wieder hergeſtellt werden ſoll, ſo muß ſie all- gemein wieder hergeſtellt werden, jede einzelne Natur, die zum Ganzen des Staates gehoͤrt, muß ſich auf ihre Weiſe regen, ſtreiten und ver- theidigen koͤnnen; denn, waͤre auch nur eine ein- zige ausgenommen, ſo koͤnnte ſie ſich uͤber ein Privilegium, das allen uͤbrigen zuſtaͤnde, und uͤber Unterdruͤckung beklagen. Wer ſind alſo dieſe einzelnen Naturen, damit wir keine uͤberſehen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0247"n="213"/>
er die Willkuͤhr. Ferner der Begriff der Gleich-<lb/>
heit, da man eine aͤußere Gleichheit meint, und<lb/>
alle aͤußere Verſchiedenheit, worin ſich eben die<lb/>
innere Gleichheit als Idee bewaͤhren ſoll, aus-<lb/>
geloͤſcht wird, verfehlt ſeinen Zweck nicht: alle<lb/>
dieſe gerupften, der ganzen, ſtolzen, eigenthuͤm-<lb/>
lichen Bekleidung ihres Lebens beraubten, Crea-<lb/>
turen gleichen einander an Ohnmacht und ſklavi-<lb/>ſcher Geſinnung. So hat ſich eine vermeinte<lb/>
Freiheit, mit ihrem Gefolge, der Gleichheit, in<lb/>
dem revolutionirten Frankreich charakteriſirt.</p><lb/><p>Daß Einzelne frei ſind und ihnen die Be-<lb/>
hauptung ihrer Eigenthuͤmlichkeit freigeſtellt bleibt,<lb/>
waͤhrend Andre die Form ihres Lebens und<lb/>
Handelns von fremder Willkuͤhr hernehmen muͤſ-<lb/>ſen: das hat die Welt gegen Privilegien, Exem-<lb/>
tionen und Monopolien aller Art erbittert.<lb/>
Wohlan! wenn die Freiheit alſo <hirendition="#g">uͤberhaupt</hi><lb/>
wieder hergeſtellt werden ſoll, ſo muß ſie <hirendition="#g">all-<lb/>
gemein</hi> wieder hergeſtellt werden, jede einzelne<lb/>
Natur, die zum Ganzen des Staates gehoͤrt,<lb/>
muß ſich auf ihre Weiſe regen, ſtreiten und ver-<lb/>
theidigen koͤnnen; denn, waͤre auch nur eine ein-<lb/>
zige ausgenommen, ſo koͤnnte ſie ſich uͤber ein<lb/>
Privilegium, das allen uͤbrigen zuſtaͤnde, und<lb/>
uͤber Unterdruͤckung beklagen. Wer ſind alſo dieſe<lb/>
einzelnen Naturen, damit wir keine uͤberſehen,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[213/0247]
er die Willkuͤhr. Ferner der Begriff der Gleich-
heit, da man eine aͤußere Gleichheit meint, und
alle aͤußere Verſchiedenheit, worin ſich eben die
innere Gleichheit als Idee bewaͤhren ſoll, aus-
geloͤſcht wird, verfehlt ſeinen Zweck nicht: alle
dieſe gerupften, der ganzen, ſtolzen, eigenthuͤm-
lichen Bekleidung ihres Lebens beraubten, Crea-
turen gleichen einander an Ohnmacht und ſklavi-
ſcher Geſinnung. So hat ſich eine vermeinte
Freiheit, mit ihrem Gefolge, der Gleichheit, in
dem revolutionirten Frankreich charakteriſirt.
Daß Einzelne frei ſind und ihnen die Be-
hauptung ihrer Eigenthuͤmlichkeit freigeſtellt bleibt,
waͤhrend Andre die Form ihres Lebens und
Handelns von fremder Willkuͤhr hernehmen muͤſ-
ſen: das hat die Welt gegen Privilegien, Exem-
tionen und Monopolien aller Art erbittert.
Wohlan! wenn die Freiheit alſo uͤberhaupt
wieder hergeſtellt werden ſoll, ſo muß ſie all-
gemein wieder hergeſtellt werden, jede einzelne
Natur, die zum Ganzen des Staates gehoͤrt,
muß ſich auf ihre Weiſe regen, ſtreiten und ver-
theidigen koͤnnen; denn, waͤre auch nur eine ein-
zige ausgenommen, ſo koͤnnte ſie ſich uͤber ein
Privilegium, das allen uͤbrigen zuſtaͤnde, und
uͤber Unterdruͤckung beklagen. Wer ſind alſo dieſe
einzelnen Naturen, damit wir keine uͤberſehen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/247>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.