Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

vielmehr auf die vollständige und ewige Natur
des Rechtsgefühls im Menschen, als auf den
weltlichen Erfolg, den Glanz, den Reich-
thum eines einzelnen Staates, begründet haben
muß. --

Deshalb nun gefällt mir Montesquieu viel
besser, wenn er sich beschränkt und die welt-
liche Entwickelung und den weltlichen Verfall
eines einzelnen Staates darstellt, wie in seinen
considerations sur les causes de la gran-
deur des Romains et de leur decadence.

Da ist er ganz in seinem Element: die Rö-
mische Politik hat er zergliedert, die Motive
zu dem ungeheuren Verfahren der Weltbeherr-
scher aus einander gelegt, beides mit einer
Künstlichkeit, von welcher der bloße Verstand
kein weiteres Beispiel aufgestellt hat. Wenn
man dies kleine Buch neben Gibbon's Rie-
senwerk stellt, dann wird Montesquieu erst
ehrwürdig: er wird zum Propheten, wenn man
ihn liest, und die Regierungsgeschichte des
Französischen Directoriums damit vergleichen
will. -- Ursachen und Wirkungen, das ganze

vielmehr auf die vollſtaͤndige und ewige Natur
des Rechtsgefuͤhls im Menſchen, als auf den
weltlichen Erfolg, den Glanz, den Reich-
thum eines einzelnen Staates, begruͤndet haben
muß. —

Deshalb nun gefaͤllt mir Montesquieu viel
beſſer, wenn er ſich beſchraͤnkt und die welt-
liche Entwickelung und den weltlichen Verfall
eines einzelnen Staates darſtellt, wie in ſeinen
considérations sur les causes de la gran-
deur des Romains et de leur décadence.

Da iſt er ganz in ſeinem Element: die Roͤ-
miſche Politik hat er zergliedert, die Motive
zu dem ungeheuren Verfahren der Weltbeherr-
ſcher aus einander gelegt, beides mit einer
Kuͤnſtlichkeit, von welcher der bloße Verſtand
kein weiteres Beiſpiel aufgeſtellt hat. Wenn
man dies kleine Buch neben Gibbon’s Rie-
ſenwerk ſtellt, dann wird Montesquieu erſt
ehrwuͤrdig: er wird zum Propheten, wenn man
ihn lieſt, und die Regierungsgeſchichte des
Franzoͤſiſchen Directoriums damit vergleichen
will. — Urſachen und Wirkungen, das ganze

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0020" n="XIV"/>
vielmehr auf die voll&#x017F;ta&#x0364;ndige und ewige Natur<lb/>
des Rechtsgefu&#x0364;hls im Men&#x017F;chen, als auf den<lb/>
weltlichen Erfolg, den Glanz, den Reich-<lb/>
thum eines einzelnen Staates, begru&#x0364;ndet haben<lb/>
muß. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Deshalb nun gefa&#x0364;llt mir Montesquieu viel<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er, wenn er &#x017F;ich be&#x017F;chra&#x0364;nkt und die welt-<lb/>
liche Entwickelung und den weltlichen Verfall<lb/>
eines einzelnen Staates dar&#x017F;tellt, wie in &#x017F;einen<lb/><hi rendition="#aq">considérations sur les causes de la gran-<lb/>
deur des Romains et de leur décadence.</hi><lb/>
Da i&#x017F;t er ganz in &#x017F;einem Element: die Ro&#x0364;-<lb/>
mi&#x017F;che Politik hat er zergliedert, die Motive<lb/>
zu dem ungeheuren Verfahren der Weltbeherr-<lb/>
&#x017F;cher aus einander gelegt, beides mit einer<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;tlichkeit, von welcher der bloße Ver&#x017F;tand<lb/>
kein weiteres Bei&#x017F;piel aufge&#x017F;tellt hat. Wenn<lb/>
man dies kleine Buch neben <hi rendition="#g">Gibbon&#x2019;s</hi> Rie-<lb/>
&#x017F;enwerk &#x017F;tellt, dann wird <hi rendition="#g">Montesquieu</hi> er&#x017F;t<lb/>
ehrwu&#x0364;rdig: er wird zum Propheten, wenn man<lb/>
ihn lie&#x017F;t, und die Regierungsge&#x017F;chichte des<lb/>
Franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Directoriums damit vergleichen<lb/>
will. &#x2014; Ur&#x017F;achen und Wirkungen, das ganze<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XIV/0020] vielmehr auf die vollſtaͤndige und ewige Natur des Rechtsgefuͤhls im Menſchen, als auf den weltlichen Erfolg, den Glanz, den Reich- thum eines einzelnen Staates, begruͤndet haben muß. — Deshalb nun gefaͤllt mir Montesquieu viel beſſer, wenn er ſich beſchraͤnkt und die welt- liche Entwickelung und den weltlichen Verfall eines einzelnen Staates darſtellt, wie in ſeinen considérations sur les causes de la gran- deur des Romains et de leur décadence. Da iſt er ganz in ſeinem Element: die Roͤ- miſche Politik hat er zergliedert, die Motive zu dem ungeheuren Verfahren der Weltbeherr- ſcher aus einander gelegt, beides mit einer Kuͤnſtlichkeit, von welcher der bloße Verſtand kein weiteres Beiſpiel aufgeſtellt hat. Wenn man dies kleine Buch neben Gibbon’s Rie- ſenwerk ſtellt, dann wird Montesquieu erſt ehrwuͤrdig: er wird zum Propheten, wenn man ihn lieſt, und die Regierungsgeſchichte des Franzoͤſiſchen Directoriums damit vergleichen will. — Urſachen und Wirkungen, das ganze

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/20
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. XIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/20>, abgerufen am 25.11.2024.