Daß die Idee des Rechtes alle einzelnen Rechte belebe, und daß das Richteramt nicht allein in den mechanischen Ent- scheidungen, sondern auch in dem lebendigen Vermitteln unter den einzelnen Rechten bestehe.
Das, was ich über die Natur und die Ausbil- dung der Rechts-Idee zu sagen habe, muß ich mit einem Vergleiche anfangen, den sie, in so fern wir uns in unsern bisherigen Unterhaltungen verständigt haben, tiefsinnig und beziehungsreich finden werden. -- In der ältesten Gesetzgebung, die wir noch heut zu Tage in ihrem ganzen Umfange zu übersehen im Stande sind, der Mosaischen, ist, wie bekannt, Religions-Vor- schrift und weltliches Gesetz noch Eins und das- selbe, wenlgstens beides innig in einander ver- schmolzen. Diese Gesetzgebung eröffnet sich, wie eben so bekannt, mit dem Gesetze: Du sollst nicht andre Götter haben neben mir. -- In diesem Gesetze, das auf den ersten, ober-
Sechſte Vorleſung.
Daß die Idee des Rechtes alle einzelnen Rechte belebe, und daß das Richteramt nicht allein in den mechaniſchen Ent- ſcheidungen, ſondern auch in dem lebendigen Vermitteln unter den einzelnen Rechten beſtehe.
Das, was ich uͤber die Natur und die Ausbil- dung der Rechts-Idee zu ſagen habe, muß ich mit einem Vergleiche anfangen, den ſie, in ſo fern wir uns in unſern bisherigen Unterhaltungen verſtaͤndigt haben, tiefſinnig und beziehungsreich finden werden. — In der aͤlteſten Geſetzgebung, die wir noch heut zu Tage in ihrem ganzen Umfange zu uͤberſehen im Stande ſind, der Moſaiſchen, iſt, wie bekannt, Religions-Vor- ſchrift und weltliches Geſetz noch Eins und daſ- ſelbe, wenlgſtens beides innig in einander ver- ſchmolzen. Dieſe Geſetzgebung eroͤffnet ſich, wie eben ſo bekannt, mit dem Geſetze: Du ſollſt nicht andre Goͤtter haben neben mir. — In dieſem Geſetze, das auf den erſten, ober-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0191"n="[157]"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Sechſte Vorleſung</hi>.</hi></head><lb/><argument><p><hirendition="#c">Daß die Idee des Rechtes alle einzelnen Rechte belebe, und<lb/>
daß das Richteramt nicht allein in den mechaniſchen Ent-<lb/>ſcheidungen, ſondern auch in dem lebendigen Vermitteln<lb/>
unter den einzelnen Rechten beſtehe.</hi></p></argument><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">D</hi>as, was ich uͤber die Natur und die Ausbil-<lb/>
dung der Rechts-Idee zu ſagen habe, muß ich mit<lb/>
einem Vergleiche anfangen, den ſie, in ſo fern<lb/>
wir uns in unſern bisherigen Unterhaltungen<lb/>
verſtaͤndigt haben, tiefſinnig und beziehungsreich<lb/>
finden werden. — In der aͤlteſten Geſetzgebung,<lb/>
die wir noch heut zu Tage in ihrem ganzen<lb/>
Umfange zu uͤberſehen im Stande ſind, der<lb/><hirendition="#g">Moſaiſchen</hi>, iſt, wie bekannt, Religions-Vor-<lb/>ſchrift und weltliches Geſetz noch Eins und daſ-<lb/>ſelbe, wenlgſtens beides innig in einander ver-<lb/>ſchmolzen. Dieſe Geſetzgebung eroͤffnet ſich, wie<lb/>
eben ſo bekannt, mit dem Geſetze: <hirendition="#g">Du ſollſt<lb/>
nicht andre Goͤtter haben neben mir</hi>. —<lb/>
In dieſem Geſetze, das auf den erſten, ober-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[[157]/0191]
Sechſte Vorleſung.
Daß die Idee des Rechtes alle einzelnen Rechte belebe, und
daß das Richteramt nicht allein in den mechaniſchen Ent-
ſcheidungen, ſondern auch in dem lebendigen Vermitteln
unter den einzelnen Rechten beſtehe.
Das, was ich uͤber die Natur und die Ausbil-
dung der Rechts-Idee zu ſagen habe, muß ich mit
einem Vergleiche anfangen, den ſie, in ſo fern
wir uns in unſern bisherigen Unterhaltungen
verſtaͤndigt haben, tiefſinnig und beziehungsreich
finden werden. — In der aͤlteſten Geſetzgebung,
die wir noch heut zu Tage in ihrem ganzen
Umfange zu uͤberſehen im Stande ſind, der
Moſaiſchen, iſt, wie bekannt, Religions-Vor-
ſchrift und weltliches Geſetz noch Eins und daſ-
ſelbe, wenlgſtens beides innig in einander ver-
ſchmolzen. Dieſe Geſetzgebung eroͤffnet ſich, wie
eben ſo bekannt, mit dem Geſetze: Du ſollſt
nicht andre Goͤtter haben neben mir. —
In dieſem Geſetze, das auf den erſten, ober-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. [157]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/191>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.