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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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und die Bedürfnisse des Ganzen umfassen und
den Willen des Ganzen aussprechen will, beide
Geschlechter der Menschheit und ihre ganze
Natur unaufhörlich und stets inniger in sich
vereinigen. --

In welcher barbarischen Zerrüttung und Ein-
seitigkeit die Gesetze des heutigen Europa einem
ersten, oberflächlichen Blicke auch erscheinen mö-
gen --: unter aller Verwirrung findet sich doch
eine große, unauslöschliche Spur, daß jene Idee
einer nothwendigen Gegenseitigkeit einst alle Ge-
setzgebungen durchdrungen hatte und nothwendig
künftig wieder durchdringen wird. Wenn man
die Erziehungsgeschichte der heutigen Europäischen
Staaten, und das rein erhaltene Resultat die-
ser Erziehung in England betrachtet: so findet
man das Streben aller Staaten nach einer Ver-
bindung der buchstäblichen und der eben so noth-
wendigen Ehrengesetze, des sichtbaren Interesse
der Gegenwart und des unsichtbaren Interesse
der Jahrhunderte, ausgedrückt durch eine große,
von keiner Macht der Welt zu erschütternde
Institution, durch den Standes- oder Ge-
schlechts-Unterschied
, von Adel und Bür-
gerstand, den wir in seiner andren Natur, nehm-
lich als Rang-Unterschied, bereits oben in der
Entwickelung des ersten Familien-Verhältnisses

und die Beduͤrfniſſe des Ganzen umfaſſen und
den Willen des Ganzen ausſprechen will, beide
Geſchlechter der Menſchheit und ihre ganze
Natur unaufhoͤrlich und ſtets inniger in ſich
vereinigen. —

In welcher barbariſchen Zerruͤttung und Ein-
ſeitigkeit die Geſetze des heutigen Europa einem
erſten, oberflaͤchlichen Blicke auch erſcheinen moͤ-
gen —: unter aller Verwirrung findet ſich doch
eine große, unausloͤſchliche Spur, daß jene Idee
einer nothwendigen Gegenſeitigkeit einſt alle Ge-
ſetzgebungen durchdrungen hatte und nothwendig
kuͤnftig wieder durchdringen wird. Wenn man
die Erziehungsgeſchichte der heutigen Europaͤiſchen
Staaten, und das rein erhaltene Reſultat die-
ſer Erziehung in England betrachtet: ſo findet
man das Streben aller Staaten nach einer Ver-
bindung der buchſtaͤblichen und der eben ſo noth-
wendigen Ehrengeſetze, des ſichtbaren Intereſſe
der Gegenwart und des unſichtbaren Intereſſe
der Jahrhunderte, ausgedruͤckt durch eine große,
von keiner Macht der Welt zu erſchuͤtternde
Inſtitution, durch den Standes- oder Ge-
ſchlechts-Unterſchied
, von Adel und Buͤr-
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lich als Rang-Unterſchied, bereits oben in der
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[153/0187] und die Beduͤrfniſſe des Ganzen umfaſſen und den Willen des Ganzen ausſprechen will, beide Geſchlechter der Menſchheit und ihre ganze Natur unaufhoͤrlich und ſtets inniger in ſich vereinigen. — In welcher barbariſchen Zerruͤttung und Ein- ſeitigkeit die Geſetze des heutigen Europa einem erſten, oberflaͤchlichen Blicke auch erſcheinen moͤ- gen —: unter aller Verwirrung findet ſich doch eine große, unausloͤſchliche Spur, daß jene Idee einer nothwendigen Gegenſeitigkeit einſt alle Ge- ſetzgebungen durchdrungen hatte und nothwendig kuͤnftig wieder durchdringen wird. Wenn man die Erziehungsgeſchichte der heutigen Europaͤiſchen Staaten, und das rein erhaltene Reſultat die- ſer Erziehung in England betrachtet: ſo findet man das Streben aller Staaten nach einer Ver- bindung der buchſtaͤblichen und der eben ſo noth- wendigen Ehrengeſetze, des ſichtbaren Intereſſe der Gegenwart und des unſichtbaren Intereſſe der Jahrhunderte, ausgedruͤckt durch eine große, von keiner Macht der Welt zu erſchuͤtternde Inſtitution, durch den Standes- oder Ge- ſchlechts-Unterſchied, von Adel und Buͤr- gerſtand, den wir in ſeiner andren Natur, nehm- lich als Rang-Unterſchied, bereits oben in der Entwickelung des erſten Familien-Verhaͤltniſſes

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/187>, abgerufen am 24.11.2024.