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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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er in's Unendliche etwas auszugleichen habe, und
das ganze Leben des wahren Menschen ist nichts
anders als ein Ausgleichen des Ungleichen, ein
Verbinden des Getrennten. Die Ungleichheit
des Alters ist also da, daß der Mensch unauf-
hörlich aufgefordert werde, verschiedene Zeiten,
und die Ansprüche verschiedener Zeiten, unter ein-
ander zu vermitteln oder zu verknüpfen; sie ist
da, wegen jener nothwendigen, allem politischen
Leben unentbehrlichen Allianz der Generationen
oder der Raumgenossen.

Die Ungleichheit des Geschlechtes hingegen ist
eine Ungleichheit der Zeitgenossen, sie ist also da,
wegen jener Allianz der Zeitgenossen oder der Ne-
ben-einander-Stehenden. Wie möchte der Mensch
aufgefordert werden, sich anzuschließen, und sich
zu verbinden, wenn die Natur ihn nicht durch
die höchste Verschiedenheit andrer menschlichen
Natur dazu reitzte! Um die Verbindung der
Geschlechter her bilden sich alle übrigen Verbin-
dungen der Menschen unter einander: sie ist die
mittelste, innigste und wesentlichste; denn die
Fortdauer des Geschlechtes hängt von ihr ab:
alle andren Verbindungen haben nur eine von
der ihrigen abgeleitete Kraft. --

Wie ich also oben die Familie in der Zeitfolge,
im Nach einander, unter dem Schema des Ge-

er in’s Unendliche etwas auszugleichen habe, und
das ganze Leben des wahren Menſchen iſt nichts
anders als ein Ausgleichen des Ungleichen, ein
Verbinden des Getrennten. Die Ungleichheit
des Alters iſt alſo da, daß der Menſch unauf-
hoͤrlich aufgefordert werde, verſchiedene Zeiten,
und die Anſpruͤche verſchiedener Zeiten, unter ein-
ander zu vermitteln oder zu verknuͤpfen; ſie iſt
da, wegen jener nothwendigen, allem politiſchen
Leben unentbehrlichen Allianz der Generationen
oder der Raumgenoſſen.

Die Ungleichheit des Geſchlechtes hingegen iſt
eine Ungleichheit der Zeitgenoſſen, ſie iſt alſo da,
wegen jener Allianz der Zeitgenoſſen oder der Ne-
ben-einander-Stehenden. Wie moͤchte der Menſch
aufgefordert werden, ſich anzuſchließen, und ſich
zu verbinden, wenn die Natur ihn nicht durch
die hoͤchſte Verſchiedenheit andrer menſchlichen
Natur dazu reitzte! Um die Verbindung der
Geſchlechter her bilden ſich alle uͤbrigen Verbin-
dungen der Menſchen unter einander: ſie iſt die
mittelſte, innigſte und weſentlichſte; denn die
Fortdauer des Geſchlechtes haͤngt von ihr ab:
alle andren Verbindungen haben nur eine von
der ihrigen abgeleitete Kraft. —

Wie ich alſo oben die Familie in der Zeitfolge,
im Nach einander, unter dem Schema des Ge-

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[142/0176] er in’s Unendliche etwas auszugleichen habe, und das ganze Leben des wahren Menſchen iſt nichts anders als ein Ausgleichen des Ungleichen, ein Verbinden des Getrennten. Die Ungleichheit des Alters iſt alſo da, daß der Menſch unauf- hoͤrlich aufgefordert werde, verſchiedene Zeiten, und die Anſpruͤche verſchiedener Zeiten, unter ein- ander zu vermitteln oder zu verknuͤpfen; ſie iſt da, wegen jener nothwendigen, allem politiſchen Leben unentbehrlichen Allianz der Generationen oder der Raumgenoſſen. Die Ungleichheit des Geſchlechtes hingegen iſt eine Ungleichheit der Zeitgenoſſen, ſie iſt alſo da, wegen jener Allianz der Zeitgenoſſen oder der Ne- ben-einander-Stehenden. Wie moͤchte der Menſch aufgefordert werden, ſich anzuſchließen, und ſich zu verbinden, wenn die Natur ihn nicht durch die hoͤchſte Verſchiedenheit andrer menſchlichen Natur dazu reitzte! Um die Verbindung der Geſchlechter her bilden ſich alle uͤbrigen Verbin- dungen der Menſchen unter einander: ſie iſt die mittelſte, innigſte und weſentlichſte; denn die Fortdauer des Geſchlechtes haͤngt von ihr ab: alle andren Verbindungen haben nur eine von der ihrigen abgeleitete Kraft. — Wie ich alſo oben die Familie in der Zeitfolge, im Nach einander, unter dem Schema des Ge-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/176>, abgerufen am 24.11.2024.