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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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jenem und unter diesem völlig entgegengesetzten
Interesse ganz derselbe bleiben kann! Wer heute,
selbst jung, das Recht der Jugend auf seiner
Seite hat, und nach wenigen Jahren sich nun
auf das Recht des Alters berufen, und das In-
teresse des Alters zu dem seinigen machen muß:
wie glücklich ist er, wenn beide Alter einander
nicht widersprechen, wenn in die früheste Ju-
gend schon die Vorsicht auf das Alter, wenn
in das späteste Alter noch die Rücksicht auf die
Jugend und ihre nothwendigen, unverweigerli-
chen Ansprüche eingewebt ist! wenn also Jeder
das Ganze repräsentirt, alle Bedürfnisse des
Augenblicks und alle Alter des Lebens in sich
vereinigt; wenn er nicht in den Extremen, oder
bei den Begriffen, die im Extreme liegen, son-
dern da, wo ihn die Natur hingestellt, hinge-
nöthigt, nehmlich in der Mitte bei den Ideen,
verweilt!

Die Natur hat den einfachsten Menschen in
seiner höchsten Entwickelung, als Mann, in die
Mitte seiner Verhältnisse gestellt. Drei Gene-
rationen, jede zu dreißig Jahren gerechnet, leben
zugleich auf der Erde; der Mann steht zwischen
seinen Eltern, persönlichen Repräsentanten des
Alters, und zwischen seinen eigenen Kindern,
persönlichen Repräsentanten der Jugend, aufge-

jenem und unter dieſem voͤllig entgegengeſetzten
Intereſſe ganz derſelbe bleiben kann! Wer heute,
ſelbſt jung, das Recht der Jugend auf ſeiner
Seite hat, und nach wenigen Jahren ſich nun
auf das Recht des Alters berufen, und das In-
tereſſe des Alters zu dem ſeinigen machen muß:
wie gluͤcklich iſt er, wenn beide Alter einander
nicht widerſprechen, wenn in die fruͤheſte Ju-
gend ſchon die Vorſicht auf das Alter, wenn
in das ſpaͤteſte Alter noch die Ruͤckſicht auf die
Jugend und ihre nothwendigen, unverweigerli-
chen Anſpruͤche eingewebt iſt! wenn alſo Jeder
das Ganze repraͤſentirt, alle Beduͤrfniſſe des
Augenblicks und alle Alter des Lebens in ſich
vereinigt; wenn er nicht in den Extremen, oder
bei den Begriffen, die im Extreme liegen, ſon-
dern da, wo ihn die Natur hingeſtellt, hinge-
noͤthigt, nehmlich in der Mitte bei den Ideen,
verweilt!

Die Natur hat den einfachſten Menſchen in
ſeiner hoͤchſten Entwickelung, als Mann, in die
Mitte ſeiner Verhaͤltniſſe geſtellt. Drei Gene-
rationen, jede zu dreißig Jahren gerechnet, leben
zugleich auf der Erde; der Mann ſteht zwiſchen
ſeinen Eltern, perſoͤnlichen Repraͤſentanten des
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[139/0173] jenem und unter dieſem voͤllig entgegengeſetzten Intereſſe ganz derſelbe bleiben kann! Wer heute, ſelbſt jung, das Recht der Jugend auf ſeiner Seite hat, und nach wenigen Jahren ſich nun auf das Recht des Alters berufen, und das In- tereſſe des Alters zu dem ſeinigen machen muß: wie gluͤcklich iſt er, wenn beide Alter einander nicht widerſprechen, wenn in die fruͤheſte Ju- gend ſchon die Vorſicht auf das Alter, wenn in das ſpaͤteſte Alter noch die Ruͤckſicht auf die Jugend und ihre nothwendigen, unverweigerli- chen Anſpruͤche eingewebt iſt! wenn alſo Jeder das Ganze repraͤſentirt, alle Beduͤrfniſſe des Augenblicks und alle Alter des Lebens in ſich vereinigt; wenn er nicht in den Extremen, oder bei den Begriffen, die im Extreme liegen, ſon- dern da, wo ihn die Natur hingeſtellt, hinge- noͤthigt, nehmlich in der Mitte bei den Ideen, verweilt! Die Natur hat den einfachſten Menſchen in ſeiner hoͤchſten Entwickelung, als Mann, in die Mitte ſeiner Verhaͤltniſſe geſtellt. Drei Gene- rationen, jede zu dreißig Jahren gerechnet, leben zugleich auf der Erde; der Mann ſteht zwiſchen ſeinen Eltern, perſoͤnlichen Repraͤſentanten des Alters, und zwiſchen ſeinen eigenen Kindern, perſoͤnlichen Repraͤſentanten der Jugend, aufge-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/173>, abgerufen am 24.11.2024.