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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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sey, nicht nachgelassen, ihn durch und durch als
Werk eben derselben Natur, deren Gottesdienste
sie sich hingab, zu betrachten: so blieb sie, auch
in ihren tiefsten Speculationen, ganz nahe bei
dem Menschen, sie blieb im Gleichgewichte, blieb
lebendig. Kurz, es ist für die Wissenschaften
kein Heil, bis alle sich wieder an den Staat
anschließen, und die ganze einseitige Stubenbe-
triebsamkeit sich auflös't und Eins wird mit
dem öffentlichen Leben, wovon niemand unge-
straft abtrünnig werden kann. --

Lassen Sie uns jetzt alle Einzelheiten unsrer
Betrachtung zusammengreifen! Der Staat ist
die Totalität der menschlichen Angele-
genheiten, ihre Verbindung zu einem le-
bendigen Ganzen
. Schneiden wir auch nur
den unbedeutendsten Theil des menschlichen We-
sens aus diesem Zusammenhange für immer her-
aus; trennen wir den menschlichen Charakter
auch nur an irgend einer Stelle von dem bür-
gerlichen: so können wir den Staat als Lebens-
erscheinung, oder als Idee, worauf es hier an-
kommt, nicht mehr empfinden.

Die Allgemeinheit, in welcher die Idee des
Staates hier erscheint, darf nicht erschrecken.
Die Theorie hat uns unzählige falsche Schran-
ken in den Weg gebauet, den wir betreten; diese

ſey, nicht nachgelaſſen, ihn durch und durch als
Werk eben derſelben Natur, deren Gottesdienſte
ſie ſich hingab, zu betrachten: ſo blieb ſie, auch
in ihren tiefſten Speculationen, ganz nahe bei
dem Menſchen, ſie blieb im Gleichgewichte, blieb
lebendig. Kurz, es iſt fuͤr die Wiſſenſchaften
kein Heil, bis alle ſich wieder an den Staat
anſchließen, und die ganze einſeitige Stubenbe-
triebſamkeit ſich aufloͤſ’t und Eins wird mit
dem oͤffentlichen Leben, wovon niemand unge-
ſtraft abtruͤnnig werden kann. —

Laſſen Sie uns jetzt alle Einzelheiten unſrer
Betrachtung zuſammengreifen! Der Staat iſt
die Totalitaͤt der menſchlichen Angele-
genheiten, ihre Verbindung zu einem le-
bendigen Ganzen
. Schneiden wir auch nur
den unbedeutendſten Theil des menſchlichen We-
ſens aus dieſem Zuſammenhange fuͤr immer her-
aus; trennen wir den menſchlichen Charakter
auch nur an irgend einer Stelle von dem buͤr-
gerlichen: ſo koͤnnen wir den Staat als Lebens-
erſcheinung, oder als Idee, worauf es hier an-
kommt, nicht mehr empfinden.

Die Allgemeinheit, in welcher die Idee des
Staates hier erſcheint, darf nicht erſchrecken.
Die Theorie hat uns unzaͤhlige falſche Schran-
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[66/0100] ſey, nicht nachgelaſſen, ihn durch und durch als Werk eben derſelben Natur, deren Gottesdienſte ſie ſich hingab, zu betrachten: ſo blieb ſie, auch in ihren tiefſten Speculationen, ganz nahe bei dem Menſchen, ſie blieb im Gleichgewichte, blieb lebendig. Kurz, es iſt fuͤr die Wiſſenſchaften kein Heil, bis alle ſich wieder an den Staat anſchließen, und die ganze einſeitige Stubenbe- triebſamkeit ſich aufloͤſ’t und Eins wird mit dem oͤffentlichen Leben, wovon niemand unge- ſtraft abtruͤnnig werden kann. — Laſſen Sie uns jetzt alle Einzelheiten unſrer Betrachtung zuſammengreifen! Der Staat iſt die Totalitaͤt der menſchlichen Angele- genheiten, ihre Verbindung zu einem le- bendigen Ganzen. Schneiden wir auch nur den unbedeutendſten Theil des menſchlichen We- ſens aus dieſem Zuſammenhange fuͤr immer her- aus; trennen wir den menſchlichen Charakter auch nur an irgend einer Stelle von dem buͤr- gerlichen: ſo koͤnnen wir den Staat als Lebens- erſcheinung, oder als Idee, worauf es hier an- kommt, nicht mehr empfinden. Die Allgemeinheit, in welcher die Idee des Staates hier erſcheint, darf nicht erſchrecken. Die Theorie hat uns unzaͤhlige falſche Schran- ken in den Weg gebauet, den wir betreten; dieſe

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/100>, abgerufen am 22.11.2024.