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Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726.

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der schmeichelnden Hoffnung/ unsere trübe Ge-
dancken aus einander zu jagen emsig seyn?
Weßfalls wir das Wahrscheinliche vor dem
wahrhafftigen Gute erwehlen. Und dis rührt
daher, daß die Vernunfft in sich selbst verfin-
stert/ die strebende Begierden in der Jrre tap-
pen/ die süsse Einbildung aber/ auch das schädli-
che/ als wann es noch so tauglich wäre/ anneh-
me. Dahero consideriret der irrige Mensch
nicht, von wem er Hülffe haben könne, sondern
folgt seiner Einbildung/ greifft zum Schatten/
und läst das Wesen fahren.

§. 14. Bey dem Opffer brauchen sie folgen-
de Ceremonien: Sie bringen entweder leben-
dige Fische vor den Abgott/ legen sie eine Zeit-
lang vor ihm nieder, kochen sie nachgehends ab/
und fressen sie selbst auf/ nur beschmieren sie das
Maul des Götzen mit dem Fisch-Fett/ oder sie
praesentiren ihm die mehr erwehnte Kleidungen,
und verhüllen den Klotz damit; andere bringen
zum Opffer Rennthiere oder Elende/ und die,
so die Tartern zu Nachbahren haben/ Pferde/
welche die arme Leute anschaffen müssen. Sel-
biges Thier bringen sie lebendig vor den Götzen/
alsdenn binden sie ihm die Füsse/ die Pfaffen
schreyen aus vollem Halse was ihr Begehren/
und zu welchem Zweck sie das Opffer bringen.
Unter währenden solchem Singen stehet einer
mit ausgespantem Bogen und aufgelegtem
Schosse bey dem Opffer/ und druckt selbigen
nicht ehe loß/ biß der Pfaffe nach vollendetem

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D 3

der ſchmeichelnden Hoffnung/ unſere truͤbe Ge-
dancken aus einander zu jagen emſig ſeyn?
Weßfalls wir das Wahrſcheinliche vor dem
wahrhafftigen Gute erwehlen. Und dis ruͤhrt
daher, daß die Vernunfft in ſich ſelbſt verfin-
ſtert/ die ſtrebende Begierden in der Jrre tap-
pen/ die ſuͤſſe Einbildung aber/ auch das ſchaͤdli-
che/ als wann es noch ſo tauglich waͤre/ anneh-
me. Dahero conſideriret der irrige Menſch
nicht, von wem er Huͤlffe haben koͤnne, ſondern
folgt ſeiner Einbildung/ greifft zum Schatten/
und laͤſt das Weſen fahren.

§. 14. Bey dem Opffer brauchen ſie folgen-
de Ceremonien: Sie bringen entweder leben-
dige Fiſche vor den Abgott/ legen ſie eine Zeit-
lang vor ihm nieder, kochen ſie nachgehends ab/
und freſſen ſie ſelbſt auf/ nur beſchmieren ſie das
Maul des Goͤtzen mit dem Fiſch-Fett/ oder ſie
præſentiren ihm die mehr erwehnte Kleidungen,
und verhuͤllen den Klotz damit; andere bringen
zum Opffer Rennthiere oder Elende/ und die,
ſo die Tartern zu Nachbahren haben/ Pferde/
welche die arme Leute anſchaffen muͤſſen. Sel-
biges Thier bringen ſie lebendig vor den Goͤtzen/
alsdenn binden ſie ihm die Fuͤſſe/ die Pfaffen
ſchreyen aus vollem Halſe was ihr Begehren/
und zu welchem Zweck ſie das Opffer bringen.
Unter waͤhrenden ſolchem Singen ſtehet einer
mit ausgeſpantem Bogen und aufgelegtem
Schoſſe bey dem Opffer/ und druckt ſelbigen
nicht ehe loß/ biß der Pfaffe nach vollendetem

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[53/0069] der ſchmeichelnden Hoffnung/ unſere truͤbe Ge- dancken aus einander zu jagen emſig ſeyn? Weßfalls wir das Wahrſcheinliche vor dem wahrhafftigen Gute erwehlen. Und dis ruͤhrt daher, daß die Vernunfft in ſich ſelbſt verfin- ſtert/ die ſtrebende Begierden in der Jrre tap- pen/ die ſuͤſſe Einbildung aber/ auch das ſchaͤdli- che/ als wann es noch ſo tauglich waͤre/ anneh- me. Dahero conſideriret der irrige Menſch nicht, von wem er Huͤlffe haben koͤnne, ſondern folgt ſeiner Einbildung/ greifft zum Schatten/ und laͤſt das Weſen fahren. §. 14. Bey dem Opffer brauchen ſie folgen- de Ceremonien: Sie bringen entweder leben- dige Fiſche vor den Abgott/ legen ſie eine Zeit- lang vor ihm nieder, kochen ſie nachgehends ab/ und freſſen ſie ſelbſt auf/ nur beſchmieren ſie das Maul des Goͤtzen mit dem Fiſch-Fett/ oder ſie præſentiren ihm die mehr erwehnte Kleidungen, und verhuͤllen den Klotz damit; andere bringen zum Opffer Rennthiere oder Elende/ und die, ſo die Tartern zu Nachbahren haben/ Pferde/ welche die arme Leute anſchaffen muͤſſen. Sel- biges Thier bringen ſie lebendig vor den Goͤtzen/ alsdenn binden ſie ihm die Fuͤſſe/ die Pfaffen ſchreyen aus vollem Halſe was ihr Begehren/ und zu welchem Zweck ſie das Opffer bringen. Unter waͤhrenden ſolchem Singen ſtehet einer mit ausgeſpantem Bogen und aufgelegtem Schoſſe bey dem Opffer/ und druckt ſelbigen nicht ehe loß/ biß der Pfaffe nach vollendetem Ge- D 3

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Zitationshilfe: Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/69>, abgerufen am 27.11.2024.