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Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726.

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ben wieder behaupten wollen. So meldet
auch vorangezogener Anonymus hin und wieder
von einigen tapfferen Entreprisen, womit sie
nicht einen schlechten Dienst in denen alten Zei-
ten denen Heydnischen Königen erwiesen, in
derer Alliance sie damahls gestanden. Die Vor-
nehmen unter ihnen/ sonderlich die so genannten
Knesen, halten noch heutiges Tages ihre Pantzer
und einen außerlesenen Bogen und Pfeil in der
Verwahrung, und ob gleich ihre Hauß-meu-
blen
von schlechtem Werth, so führen sie doch
diese in allen ihren peregrinationen mit herum.

§. 21. Diese unbeständige Wallfahrten/
die von keiner Ruhe wissen/ sind ohne Zweiffel
in denen Wildnüssen/ wo die grausamsten Thie-
re ihre Wohnungen haben/ und von ihnen ste-
tig aufgesuchet werden, nicht sonder Gefahr des
Lebens; Dahero bey ihnen es nichts seltsames/
daß sie von Bähren zerrissen und erwürget wer-
den/ oder sonst durch einige fatale Zufälle um
ihr Leben kommen. Sterben sie sonst ihres na-
türlichen Todes/ so verscharren die Nachgeblie-
bene sie in der Erde, des Winters aber im
Schnee/ und werffen der Verstorbenen Pfeile
und Bogen/ Beil und Messer mit hinein; Wo
sie aber so reich/ daß sie in ihrem Haußgerath
Töpffe oder Kessel gehabt/ so verscharren sie
auch dieselbe mit ihnen. Dis ist eine uhralte
Gewohnheit/ die sie von den vorigen Völckern,
so sich Tschut nennten/ und nunmehro erloschen
und ausgestorben/ beybehalten. Selbiges

Volck
C 5

ben wieder behaupten wollen. So meldet
auch vorangezogener Anonymus hin und wieder
von einigen tapfferen Entrepriſen, womit ſie
nicht einen ſchlechten Dienſt in denen alten Zei-
ten denen Heydniſchen Koͤnigen erwieſen, in
derer Alliance ſie damahls geſtanden. Die Vor-
nehmen unter ihnen/ ſonderlich die ſo genannten
Kneſen, halten noch heutiges Tages ihre Pantzer
und einen außerleſenen Bogen und Pfeil in der
Verwahrung, und ob gleich ihre Hauß-meu-
blen
von ſchlechtem Werth, ſo fuͤhren ſie doch
dieſe in allen ihren peregrinationen mit herum.

§. 21. Dieſe unbeſtaͤndige Wallfahrten/
die von keiner Ruhe wiſſen/ ſind ohne Zweiffel
in denen Wildnuͤſſen/ wo die grauſamſten Thie-
re ihre Wohnungen haben/ und von ihnen ſte-
tig aufgeſuchet werden, nicht ſonder Gefahr des
Lebens; Dahero bey ihnen es nichts ſeltſames/
daß ſie von Baͤhren zerriſſen und erwuͤrget wer-
den/ oder ſonſt durch einige fatale Zufaͤlle um
ihr Leben kommen. Sterben ſie ſonſt ihres na-
tuͤrlichen Todes/ ſo verſcharren die Nachgeblie-
bene ſie in der Erde, des Winters aber im
Schnee/ und werffen der Verſtorbenen Pfeile
und Bogen/ Beil und Meſſer mit hinein; Wo
ſie aber ſo reich/ daß ſie in ihrem Haußgerath
Toͤpffe oder Keſſel gehabt/ ſo verſcharren ſie
auch dieſelbe mit ihnen. Dis iſt eine uhralte
Gewohnheit/ die ſie von den vorigen Voͤlckern,
ſo ſich Tſchut nennten/ und nunmehro erloſchen
und ausgeſtorben/ beybehalten. Selbiges

Volck
C 5
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[41/0057] ben wieder behaupten wollen. So meldet auch vorangezogener Anonymus hin und wieder von einigen tapfferen Entrepriſen, womit ſie nicht einen ſchlechten Dienſt in denen alten Zei- ten denen Heydniſchen Koͤnigen erwieſen, in derer Alliance ſie damahls geſtanden. Die Vor- nehmen unter ihnen/ ſonderlich die ſo genannten Kneſen, halten noch heutiges Tages ihre Pantzer und einen außerleſenen Bogen und Pfeil in der Verwahrung, und ob gleich ihre Hauß-meu- blen von ſchlechtem Werth, ſo fuͤhren ſie doch dieſe in allen ihren peregrinationen mit herum. §. 21. Dieſe unbeſtaͤndige Wallfahrten/ die von keiner Ruhe wiſſen/ ſind ohne Zweiffel in denen Wildnuͤſſen/ wo die grauſamſten Thie- re ihre Wohnungen haben/ und von ihnen ſte- tig aufgeſuchet werden, nicht ſonder Gefahr des Lebens; Dahero bey ihnen es nichts ſeltſames/ daß ſie von Baͤhren zerriſſen und erwuͤrget wer- den/ oder ſonſt durch einige fatale Zufaͤlle um ihr Leben kommen. Sterben ſie ſonſt ihres na- tuͤrlichen Todes/ ſo verſcharren die Nachgeblie- bene ſie in der Erde, des Winters aber im Schnee/ und werffen der Verſtorbenen Pfeile und Bogen/ Beil und Meſſer mit hinein; Wo ſie aber ſo reich/ daß ſie in ihrem Haußgerath Toͤpffe oder Keſſel gehabt/ ſo verſcharren ſie auch dieſelbe mit ihnen. Dis iſt eine uhralte Gewohnheit/ die ſie von den vorigen Voͤlckern, ſo ſich Tſchut nennten/ und nunmehro erloſchen und ausgeſtorben/ beybehalten. Selbiges Volck C 5

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Zitationshilfe: Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/57>, abgerufen am 27.11.2024.