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Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726.

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bißhero der irrige Wahn gewesen/ sondern sein
Nabel ist eigentlich die Behältnis dieses treffli-
chen parfums.

§. 12. Noch wird hieselbst auf den höchsten
Gebürgen und Felsen ein seltzames Mineral
gefunden, so sie Kamine Masla Stein-Butter
nennen, dieses schwitzet bey der Sonnen-
Wärme aus solchen Feisen/ und setzet sich wie
ein weißgelber Kalch an dieselbe an; Es dis-
solvir
et sich im Wasser wie ein ander Saltz, und
hat einen vitriolischen sehr astringirenden Ge-
schmack/ man will ihm viele Würckung zu-
schreiben, und bedienen sich hiesige Einwohner
dessen in vielen Kranckheiten/ sonderlich in der
dissenterie, wiewol es unserm Magen nicht so
gar wohl bekommen dürffte, auch meines Wis-
sens von denen Unsrigen nicht gebraucht worden.
Daß aber die Russen gefährlichere Mittel brau-
chen/ siehet man daraus, daß sie in ihren Fran-
tzosen-Curen, den Mercurium sublimatum essen/
entweder ohne Vehiculo, oder auch in einem sau-
ren Brey von Habermehl gekocht/ und auf die
Kranichs-Augen einen starcken Eßig giessen/
den sie eine Zeitlang in der Wärme stehen las-
sen/ wovon sie denen mit dieser Kranckheit infi-
cirt
en einen Trunck alle Tage geben/ welcher
von solcher Würckung ist, daß er alle Schärf-
fe aus den Knochen und dem Geblüthe ziehet/
und in einigen Wochen die Patienten glücklich
curiret; Es greifft dieser Trunck die Leute so
an/ als wenn sie 2. a 3. Stunden starck be-

soffen

bißhero der irrige Wahn geweſen/ ſondern ſein
Nabel iſt eigentlich die Behaͤltnis dieſes treffli-
chen parfums.

§. 12. Noch wird hieſelbſt auf den hoͤchſten
Gebuͤrgen und Felſen ein ſeltzames Mineral
gefunden, ſo ſie Kamine Masla Stein-Butter
nennen, dieſes ſchwitzet bey der Sonnen-
Waͤrme aus ſolchen Feiſen/ und ſetzet ſich wie
ein weißgelber Kalch an dieſelbe an; Es diſ-
ſolvir
et ſich im Waſſer wie ein ander Saltz, und
hat einen vitrioliſchen ſehr aſtringirenden Ge-
ſchmack/ man will ihm viele Wuͤrckung zu-
ſchreiben, und bedienen ſich hieſige Einwohner
deſſen in vielen Kranckheiten/ ſonderlich in der
diſſenterie, wiewol es unſerm Magen nicht ſo
gar wohl bekommen duͤrffte, auch meines Wiſ-
ſens von denen Unſrigen nicht gebraucht worden.
Daß aber die Ruſſen gefaͤhrlichere Mittel brau-
chen/ ſiehet man daraus, daß ſie in ihren Fran-
tzoſen-Curen, den Mercurium ſublimatum eſſen/
entweder ohne Vehiculo, oder auch in einem ſau-
ren Brey von Habermehl gekocht/ und auf die
Kranichs-Augen einen ſtarcken Eßig gieſſen/
den ſie eine Zeitlang in der Waͤrme ſtehen laſ-
ſen/ wovon ſie denen mit dieſer Kranckheit infi-
cirt
en einen Trunck alle Tage geben/ welcher
von ſolcher Wuͤrckung iſt, daß er alle Schaͤrf-
fe aus den Knochen und dem Gebluͤthe ziehet/
und in einigen Wochen die Patienten gluͤcklich
curiret; Es greifft dieſer Trunck die Leute ſo
an/ als wenn ſie 2. à 3. Stunden ſtarck be-

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[12/0028] bißhero der irrige Wahn geweſen/ ſondern ſein Nabel iſt eigentlich die Behaͤltnis dieſes treffli- chen parfums. §. 12. Noch wird hieſelbſt auf den hoͤchſten Gebuͤrgen und Felſen ein ſeltzames Mineral gefunden, ſo ſie Kamine Masla Stein-Butter nennen, dieſes ſchwitzet bey der Sonnen- Waͤrme aus ſolchen Feiſen/ und ſetzet ſich wie ein weißgelber Kalch an dieſelbe an; Es diſ- ſolviret ſich im Waſſer wie ein ander Saltz, und hat einen vitrioliſchen ſehr aſtringirenden Ge- ſchmack/ man will ihm viele Wuͤrckung zu- ſchreiben, und bedienen ſich hieſige Einwohner deſſen in vielen Kranckheiten/ ſonderlich in der diſſenterie, wiewol es unſerm Magen nicht ſo gar wohl bekommen duͤrffte, auch meines Wiſ- ſens von denen Unſrigen nicht gebraucht worden. Daß aber die Ruſſen gefaͤhrlichere Mittel brau- chen/ ſiehet man daraus, daß ſie in ihren Fran- tzoſen-Curen, den Mercurium ſublimatum eſſen/ entweder ohne Vehiculo, oder auch in einem ſau- ren Brey von Habermehl gekocht/ und auf die Kranichs-Augen einen ſtarcken Eßig gieſſen/ den ſie eine Zeitlang in der Waͤrme ſtehen laſ- ſen/ wovon ſie denen mit dieſer Kranckheit infi- cirten einen Trunck alle Tage geben/ welcher von ſolcher Wuͤrckung iſt, daß er alle Schaͤrf- fe aus den Knochen und dem Gebluͤthe ziehet/ und in einigen Wochen die Patienten gluͤcklich curiret; Es greifft dieſer Trunck die Leute ſo an/ als wenn ſie 2. à 3. Stunden ſtarck be- ſoffen

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Zitationshilfe: Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/28>, abgerufen am 24.11.2024.